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LESEJAHR B

Die Zeit im Jahreskreis

7. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mk 2,1-12
 
Der Menschensohn hat die Vollmacht, hier auf der Erde Sünden zu vergeben
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
 
1 Als Jesus nach Kafarnaum zurückkam, wurde bekannt, daß er wieder zu Hause war.

Weil die himmlische Barmherzigkeit auch diejenigen Menschen nicht sich selbst überläßt, die fleischlich gesinnt sind, sondern sie in Gnaden besucht, damit sie auf diese Weise auch geistliche Menschen würden, darum kehrte der Herr nach seinem Aufenthalt in der Einsamkeit in die Stadt zurück: Acht Tage später kam er wiederum nach Kapharnaum. (Beda)

Matthäus nennt Kapharnaum seine (d.h. Jesu) Stadt, weil er dorthin oft ging und viele Wunder dort vollbrachte. (Chrysostomus, In Matth., hom. 30)

2 Und es versammelten sich so viele Menschen, daß nicht einmal mehr vor der Tür Platz war; und er verkündete ihnen das Wort.
3 Da brachte man einen Gelähmten zu ihm; er wurde von vier Männern getragen.
4 Weil sie ihn aber wegen der vielen Leute nicht bis zu Jesus bringen konnten, deckten sie dort, wo Jesus war, das Dach ab, schlugen (die Decke) durch und ließen den Gelähmten auf seiner Tragbahre durch die Öffnung hinab.
5 Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!

Er sprach nicht vom Glauben des Gelähmten, sondern von dem seiner Träger; denn es kommt zuweilen vor, daß jemand aufgrund des Glaubens eines anderen zu Kräften kommt. (Chrysostomus)

Das soll man wohl bedenken: Wie viel der eigene Glaube eines Menschen bei Gott gilt, wenn schon der Glaube anderer Personen soviel vermochte, daß ein Mensch auf einmal, an Leib und Seele gesund, aufstand. Aufgrund des Verdienstes der einen können die Fehler anderer Nachlassung finden. [...] Staunenswerte Demut des Herrn: Er nennt einen so mißachteten, schwachen Menschen [...] den die Priester nicht einmal berühren mochten, Sohn. Sicher auch deswegen, weil ihm seine Sünden vergeben wurden. (Beda)

6 Einige Schriftgelehrte aber, die dort saßen, dachten im stillen:
7 Wie kann dieser Mensch so reden? Er lästert Gott. Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott?
8 Jesus erkannte sofort, was sie dachten, und sagte zu ihnen: Was für Gedanken habt ihr im Herzen?
9 Ist es leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben!, oder zu sagen: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh umher?

Indem sie ihn der Lästerung bezichtigen, nehmen sie das Todesurteil schon voraus; denn im Gesetz ist für Gotteslästerung die Todesstrafe vorgesehen. Sie legten ihm Lästerung zur Last, weil er die göttliche Vollmacht der Sündenvergebung für sich in Anspruch nahm. Allein der Richter aller hat die Vollmacht, Sünden zu vergeben. (Cyrill)

Christus erweist sich wahrhaftig als Gott, weil er Sünden vergeben kann wie Gott. Weit schlimmer [als die Juden] irren jedoch die Anhänger des Arius, wenn sie glauben, daß Jesus der Messias sei und Sünden vergeben könne - was sie aufgrund des Evangelientextes zugeben müssen -, und dennoch leugnen, daß er Gott sei. Doch der Herr will die Ungläubigen retten und gibt sich deswegen in seiner Göttlichkeit zu erkennen: durch seine Kenntnis der verborgenen Gedanken und durch seine machtvolles Wirken: Jesus erkannte sofort, was sie dachten, und sagte zu ihnen: Was für Gedanken habt ihr im Herzen? Darin zeigt er, daß er Gott ist, der die verborgenen Gedanken des Herzens erkennen kann - als ob er ohne Worte spräche: Mit der selben Macht und Kraft, in der ich eure Gedanken sehe, kann ich auch den Menschen ihre Vergehen vergeben. (Beda)

Doch selbst nachdem ihre Gedanken offenbar gemacht worden waren, blieben sie ungerührt und ohne Einsicht [...] und darum gibt der Herr einen Beweis für die Heilung der Seele: durch die Heilung des Leibes. Er will durch das sichtbare Geschehen das unsichtbare beweisen, durch das Leichtere das Schwierigere, obwohl jene die Sache nicht so einschätzten: Sie glaubten, es sei schwerer, den Körper - etwas Sichtbares und Offenkundiges - gesund zu machen als die Seele, deren Heilung unsichtbar geschieht. Sie dachten also ungefähr so: Da schau her, den Körper läßt er nicht gesund werden, doch die Seele, die man nicht sieht. Wenn er mehr Macht besäße, hätte er den Körper geheilt und nicht Ausflüchte gemacht auf das Unsichtbare hin. Der Erlöser aber zeigte, daß er beides vermochte. [...] (Theophylactus)

10 Ihr sollt aber erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben. Und er sagte zu dem Gelähmten:

Bezeichnenderweise sagt er: daß der Menschensohn die Vollmacht hat, auf Erden Sünden zu vergeben. Damit will er zeigen, daß in ihm die Macht der Gottheit untrennbar mit der Menschennatur vereint ist. Mensch geworden bleibt er dennoch das WORT Gottes. Und wenn er nach seinem Ratschluß auf Erden das Leben mit den Menschen teilt, so hindert ihn dies nicht, Wunder zu tun und Sünden zu vergeben. [...] (Chrysostomus)

Man könnte auch sagen: die vier "Träger" sind vier Tugenden. Durch sie richtet sich der Mensch auf, in gläubiger Zuversicht, die Gesundheit zu erlangen. Bei manchen heißen diese Tugenden: Klugheit, Tapferkeit, Maß und Gerechtigkeit. Sie wollen den "Gelähmten" Christus darreichen, aber eine "Menge" steht im Weg, und auf keiner Seite ist ein Durchkommen. Oft nämlich wird die Seele, wenn sie in der Schwäche und Trägkeit des Leibes nach der Erneuerung und Heilung durch die Gnade verlangt, durch die alte Gewohnheit gehindert und aufgehalten. Ja, oft drängt sich eine "Menge" von Gedanken sogar in die Wonne des inneren Gebetes hinein, gleichsam zwischen die "Spitze des Geistes"lat.: acies mentis und das süße Gespräch mit dem Herrn, und verhindert, daß der Herr gesehen werde. Man soll daher nicht unten bleiben, wo die Menge lärmt, sondern das Dach des Hauses erklimmen, das heißt: den erhabenen Sinn der Hl. Schrift suchen und das Gesetz des Herrn überdenken. Wenn das Dach abgedeckt ist, wird der Kranke hinabgelassen; denn durch die Enthüllung der Geheimnisse der Hl. Schrift gelangt man zur Erkenntnis Christi. Das heißt: Man steigt in liebendem Glauben zu Christi Demut hinab. Daß der Kranke aber samt seiner Bahre hinabgelassen wird, ist ein Zeichen dafür, daß der Mensch bereits in diesem seinem hinfälligen Leib Christus erkennen soll. Von der Bahre aufstehen heißt, sich vom Verlangen des alten Menschen abwenden, wo man krank darniedergelegen war. Die Bahre tragen heißt, sein Fleisch durch Enthaltsamkeit in Zucht nehmen und in der Hoffnung auf den himmlischen Lohn von irdischen Vergnügungen abzuscheiden. Mit der geschulterten Bahre nach Hause gehen heißt: ins Paradies zurückkehren. (Beda)

11 Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach Hause!
12 Der Mann stand sofort auf, nahm seine Tragbahre und ging vor aller Augen weg. Da gerieten alle außer sich; sie priesen Gott und sagten: So etwas haben wir noch nie gesehen.
Das sagt er, um dem Wunder noch größere Sicherheit zu geben: um zu zeigen, daß es nicht Einbildung sei; und zugleich: daß er nicht nur geheilt, sondern auch Kraft verliehen habe. Ebenso wendet er die Seele nicht nur von der Sünde ab, sondern gibt ihr Kraft, die Gebote Gottes zu erfüllen. [...] Nach dem mystischen Sinn verstanden, ist Christus auch jetzt in Kapharnaum, das bedeutet: im Haus des Trostes, nämlich in der Kirche. Sie ist das Haus des Gelähmten. [...] Wenn also meiner Seele Kräfte matt sind und ich wie ein Gelähmter nur kraftlos zum Guten mich wende, dann möchte ich von den vier Evangelisten aufgehoben und zu Christus gebracht werden, und ich möchte hören: Mein Sohn [...], und die Sünden mögen mir vergeben werden. Wird einer doch dadurch Kind Gottes, daß er den Willen Gottes tut.
Doch wie soll ich zu Christus gelangen, wenn nicht das Dach abgedeckt wird? Das "Dach" ist nämlich der Geist des Menschenlat.: intellectus, der über allem steht, was in uns ist. Dieses "Dach" hat viel Erde bei sich, die Wände sind aus Lehm, ich meine damit: der Geist trägt viel irdische Dinge mit sich. Wenn diese Kraft der Seele "in die Höhe gehoben" wird, wird der Geist bzw. die Erkenntniskraft befreit von Lasten. Danach wird der Kranke auf den Boden "hinabgelassen", das heißt: er wird demütiglat.: humiliatur. Denn es ist keineswegs angebracht, daß der Geist aufgrund seiner Befreiung hochmütig wird, vielmehr daß er demütig wird.
Und schließlich muß auch die Bahre getragen werden: das heißt, mit dem Leib muß Gutes getan werden.lat.: operatio Dann werden wir auch zur Beschauunglat.: contemplatio gelangen können, so daß unsere Gedanken in uns sprechen: So etwas haben wir noch nie gesehen - das heißt: noch nie geistig geschaut und verstanden - wie wir es jetzt schauen, als von der Lähmung Geheilte. Denn wer von Sünden rein ist, der sieht mit reinerem Blick. (Theophylactus)
 
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