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LESEJAHR C

Die Zeit im Jahreskreis

6. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Lk 6,17.20-26
 
Selig, ihr Armen! - Weh euch, ihr Reichen!
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
 
In jener Zeit
17 stieg Jesus mit den zwölf Aposteln den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seiner Jünger stehen, und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon strömten herbei.

Nachdem die Apostel in ihr Amt eingesetzt worden waren, bestimmte sie der Herr auch zu Lehrern des Erdkreises, im Beisein einer großen Schar von Menschen aus jüdischem Gebiet, besonders aber auch aus dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon, wo man Götzen verehrte. Die Apostel sollten die Juden aus der Knechtschaft des Gesetzes herausrufen, die Götzendiener aber von ihrem heidnischen Irrtum zur Erkenntnis der Wahrheit führen. (Cyrill)

Hier spricht der Evangelist nicht von der Küste des Sees von Galiläa, denn das wäre nichts Erstaunliches gewesen, sondern vom Meer [...] Tyrus und Sidon waren heidnische Städte, und sie werden mit Absicht namentlich genannt, um zu verdeutlichen, wie weit der Ruf des Erlösers bereits gedrungen war, so daß fremde Städte sich angezogen fühlten, Heilung und Belehrung bei ihm zu suchen. (Beda)

20 Jesus richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.

Er spricht zwar allgemein zu allen, in besonderer Weise aber richtet er seine Augen auf die Jünger. Er will ihnen, die das Wort aufmerksam mit dem Ohr des Herzens aufnehmen, in noch größerem Maß das süße innere Licht mitteilen. (Beda)

Lukas nennt vier Seligpreisungen, Matthäus acht. Aber in diesen acht sind die vier enthalten, und in den vieren die acht. Lukas berührt mit den vier Seligpreisungen gewissermaßen die vier Kardinaltugenden,Siehe unten zu V. 23 Matthäus enthüllt in der Achtzahl eine geheimnisvolle Ordnung: Die achte ist die Vollendung unserer Hoffnung, wie sie der Gipfel der Tugend ist. Jeder der beiden Evangelisten setzt an den Anfang die Armut; sie ist gewissermaßen die Mutter der Tugenden. Denn wer das Zeitliche geringachtet, dem wird verdientermaßen das Ewige zuteil; ein Mensch, der von den Begierden der Welt beschwert ist und daher keine Kraft hat, daraus aufzutauchen, kann das Reich des Himmels nicht erlangen. Darum heißt es: Selig die Armen. (Ambrosius)

Im Matthäusevangelium wird von "Armen im Geiste" gesprochen; darunter sollen wir einen Menschen verstehen, dessen Denken maßvoll und bescheiden ist, gewissermaßen zurückhaltend - denn der Erlöser sagt von sich selbst: Lernt von mir, denn ich bin sanft und demütig von Herzen. Hier im Lukas-Evangelium ist von den Armen die Rede, ohne Zusatz "im Geiste"; gemeint sind die Menschen, die den Reichtum verachten. Denn diejenigen, die in Zukunft die Lehre des heilbringenden Evangeliums verkündigen würden, sollten kein gieriges Herz haben, sondern ein Herz voller Bereitwilligkeit zu Größerem. (Chrysostomus)

Nicht jeder, den die Armut drückt, ist selig, sondern wer Christi Gebot dem weltlichen Besitz vorzieht. Es gibt nicht wenige, die zwar an Besitz arm, aber voller Habgier sind. Solchen Leuten wird ihre Armut nicht zum Heil, sondern ihr Gier zur Verdammnis. Was man nur unfreiwillig trägt, wird nicht mit Seligkeit belohnt, weil jede Tugend mit dem freien Willen verbunden ist. Selig also der Arme, insofern er Christi Jünger ist; denn Christus hat für uns die Armut auf sich genommen. Der Herr selbst hat jedes Werk erfüllt, das zur Seligkeit führt, und damit allen, die darüber etwas wissen wollen, in seiner Person ein Beispiel gegeben. (Basilius der Große)

21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden.

Selig, die ihr jetzt euren Leib in Zucht nehmt, die ihr euch unter Entbehrungen dem Wort Gottes widmet, ihr werdet im Übermaß Freude an den himmlischen Gütern haben. (Beda)

Nach Matthäus werden diejenigen seliggepriesen, die anstelle von Speise und Trank die Gerechtigkeit lieben - womit hier nicht ein partikulärer Bereich der Gerechtigkeit gemeint ist, sondern jene umfassende Tugend, um deretwillen jemand seliggepriesen wird, wenn er nach ihr hungert. (Gregor von Nyssa)

Damit wird uns auch sehr deutlich gesagt, daß wir uns in diesem Leben nie für ausreichend gerecht halten dürfen, sondern nach täglichem Fortschritt in der Gerechtigkeit streben müssen. Zur Vollendung werden wir nicht in diesem Leben, sondern erst im künftigen gelangen, wie es im Psalm heißt: Ich werde gesättigt werden, wenn deine Herrlichkeit offenbar wird.Vgl. Ps 17,15 (Beda)

Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.

Selig gepriesen werden nicht einfach die, welche Tränen vergießen; denn das tun Gläubige und Ungläubige, wenn etwas Trauriges geschieht. Eher sind die gemeint, welche sich von einem leichten Leben, das den Begierden des Fleisches nachgibt, fernhalten und Vergnügungen zurückweisen, dafür aber den Tränen nahe sind wegen des Hasses der weltlichen Menschen. (Cyrill)

Die Gott-gemäße Traurigkeit ist etwas Großes; Buße erlangt Heil. So hat Paulus, der keine eigenen Verfehlungen zu beweinen hatte, um der Sünden anderer willen getrauert [...] (Chrysostomus)

22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen.

Mögen Menschen mit einem bösen Herzen hassen - sie können ein Herz, das von Christus geliebt ist, nicht verletzen. Mögen sie ausschließen und aus der Synagoge vertreiben - Christus findet sie und stärkt sie. Mögen sie den Namen des Gekreuzigten schmähen - Er selbst macht lebendig, die mit ihm gestorben sind, und läßt sie Platz nehmen in den himmlischen Wohnungen. [...] Er lehrt seine Jünger also, daß sie von den Menschen Verfolgung zu leiden haben, aber über alle Menschen selig zu preisen sind. Darum folgt die Verheißung: Freuet euch und jauchzt an jenem Tag ... (Beda)

23 Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht.

Die Propheten wurden ja bis zum leiblichen Tod verfolgt. (Ambrosius)

Wer die Wahrheit sagt, leidet gewöhnlich Verfolgung; doch die alten Propheten haben keineswegs von der Verkündigung der Wahrheit aus Frucht vor Verfolgung abgelassen. (Beda)

In der Seligpreisung der Armen findest du die Seligpreisung des Maßes:Lat.: temperantia Es hält sich von allem Bösen zurück, schreitet über das Treiben der Welt hinweg, verlangt nicht nach dem Verlockenden. In der Seligpreisung der Hungernden findest du die Gerechtigkeit:Lat.: iustitia Wer nämlich mit einem Hungernden Mitleid hat, der gibt ihm etwas, und indem er gibt, wird er gerecht; denn seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit. In der Seligpreisung der Weinenden findest du die Klugheit:Lat.: prudentia Die Klugheit nämlich beweint, was alltäglich geschieht und verlangt nach dem Ewigen. In der Seligpreisung der Verhaßten - nicht weil sie eine Untat begangen haben, sondern weil sie Verfolgung um des Glaubens erleiden - findest du die Tapferkeit.Lat.: fortitudo So erlangt man die Krone des Leidens: Wenn man die Gunst der Menschen hintanstellt, diejenige Gottes aber erlangt. Die Tugend des Maßes hat als Begleitung die Reinheit des Herzens, die Gerechtigkeit die Barmherzigkeit, die Klugheit den Frieden, die Tapferkeit die Sanftmut. Verknüpft und miteinander verkettet sind die Tugenden: Wer eine besitzt, besitzt offenbar mehrere [...] (Ambrosius)

24 Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten.
25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.
26 Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.

Die Tugend bedarf keiner äußeren Hilfsmittel, und die Gabe eines Armen ist lobenswerter als die Freigebigkeit eines Reichen. Dennoch werden hier durch den göttlicher Richtspruch nicht diejenigen verurteilt, welche Reichtum besitzen, sondern diejenigen, die ihn nicht recht zu gebrauchen wissen. Denn wie ein Armer, wenn er mit bereitwilligem Herzen schenkt, um so mehr zu loben ist, so ist ein Reicher, der von dem, was er erhalten hat, Gott Dank abstatten müsste, um so verworfener; denn er hätte einen Teil dessen zum Gemeinwohl geben müssen, statt ihn nutzlos zu verstecken. Verwerflich ist nicht das Geld, sondern die innere Haltung.Lat.: affectus (Ambrosius)

Wenn diejenigen selig sind, die immerzu nach den Werken der Gerechtigkeit hungern, dann sind im Gegensatz dazu diejenigen als unglücklich zu betrachten, die allen ihren Wünschen nachgeben und keinerlei Hunger nach dem wahren Gut verspüren. (Beda)

[Wenn hier vor dem Lob der Menschen gewarnt wird], so steht das nicht im Gegensatz zu jener anderen Stelle, wo der Herr sagt: Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen. Das bedeutet: Es soll offenbar werden, daß wir zur Ehre Gottes und nicht zu unserer eigenen gut handeln. Der eitle RuhmLat.: inanis gloria - Griech.: kenodoxia, eine der Wurzelsünden. ist eine verderbenbringende Sache! Die Ungerechtigkeit wie die Verzweiflung und die Habsucht, die Mutter aller Übel, nehmen von hier ihren Ausgang. Wenn du deinen Weg davon fern halten willst, dann richte deinen Blick beständig auf Gott und sei zufrieden mit der Ehre, die dir von ihm kommt. In jeder Disziplin wählt man als Schiedsrichter Leute aus, die davon möglichst viel verstehen; warum schenkst du also, wenn deine Tugend erwiesen werden soll, so vielerlei Leuten Glauben, nicht aber dem, der sie besser als alle kennt, der sie zu verleihen und zu krönen vermag? [...] Bedenke auch, wie hinfällig die Ehre bei Menschen ist; bald ist sie im Laufe der Zeit vergessen. (Chrysostomus)

Die falschen Propheten werden hier deswegen angeführt, weil sie versuchten, Zukünftiges vorherzusagen, mit dem Ziel, die Gunst des Volkes zu gewinnen. (Beda)

Auf dem Berg hat der Herr nur die Seligpreisung der Guten gepredigt, bei der Rede auf dem Feld aber auch das "Wehe" für die Schlechten gerufen. Denn rohe Zuhörer müssen mit heilsamem Schrecken zum Guten angetrieben werden; für die Vollkommenen dagegen genügt es, sie durch die Verheißung einzuladen. (Beda)

 
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