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LESEJAHR B

Die Drei Österlichen Tage und die Osterzeit

4. SONNTAG DER OSTERZEIT

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Joh 10,11-18
 
Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
 
In jener Zeit sprach Jesus:
11 Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.

Der Herr eröffnet hier zwei Dinge, die gewissermaßen verborgen waren. Als erstes sollten wir wissen, daß er die Tür ist (Joh 10,1-10), und jetzt zeigt er, daß er der Hirte ist, indem er sagt: "Ich bin der gute Hirte." Zuvor (Joh 10,2) hatte er gesagt, daß der Hirte durch die Tür eintritt. Wenn er nun selbst die Tür ist, wie kann er durch sich selbst eintreten? So wie er durch sich selbst den Vater kennt, wir aber den Vater durch ihn kennen, so tritt er in den Schafstall durch sich selbst ein, wir aber durch ihn. Wir treten durch die Tür ein, weil wir Christus verkündigen, Christus aber verkündigt sich selbst, denn das Licht macht andere Dinge und sich selbst sichtbar. [...] (Augustinus, Tr. in Joh.)

Er fügt hinzu, worin die Gutheit besteht, die wir nachahmen sollen: "Der gute Hirt gibt sein Leben für die Schafe." Er tut das, wozu er ermahnt, er macht vor, was er befiehlt: Für seine Schafe hat er sein Leben gegeben, um seinen Leib und sein Blut in ein Sakrament für uns zu verwandeln und die Schafe, die er losgekauft hatte, mit seinem Fleisch zu sättigen. Dadurch ist uns ein Weg gezeigt, den wir, den Tod nicht fürchtend, gehen sollen. Die Form, die wir annehmen sollen, hat er vorgegeben.Wörtlich: die Form (das Model), dem wir [wie Wachs] eingedrückt werden sollen ... Zunächst ist es unsere Pflicht, mit dem, was wir äußerlich besitzen, voll Erbarmen für seine Schafe aufzukommen; wenn es aber nötig sein sollte, müssen wir unser Leben bis hin zum Tod für diese Schafe einsetzen. Wer für die Schafe nicht einmal seinen Besitz geben mag, wie wird der sein Leben für sie hingeben? (Gregor der Große, Hom. in Ev. 14)

Christus ist nicht der einzige, der so gehandelt hat. Wenn aber jene, die so taten, seine Glieder sind, dann hat doch er selbst es alleine getan: denn er konnte es ohne sie tun, sie aber nicht ohne ihn. (Augustinus, Tr. in Joh.)

All die Hirten waren gut, die nicht nur ihr Blut vergossen, sondern die es für die Schafe vergossen; nicht aus Hochmut haben sie es vergossen, sondern aus Liebe. [...] Wie aber kann derjenige, der nicht die Einheit der Gemeinschaft liebt, auch nur eine geringe Liebe besitzen? Der Herr selbst empfiehlt diese Einheit, denn er will nicht von vielen Hirten sprechen, sondern von einem einzigen, und so sagt er: "Ich bin der gute Hirte." (Augustinus, De verbo Domini)

12 Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, läßt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht,
13 weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt.

Es gibt solche, die irdischen Besitz mehr lieben als die Schafe, und sie werden zu Recht nicht Hirten genannt. Nicht Hirte, sondern bezahlter Knecht heißt derjenige, der die Schafe des Herrn nicht aus inniger Liebe, sondern um zeitlichen Lohn weidet. Der bezahlte Knecht ist der, der an der Stelle des Hirten steht, aber nicht die Seelen gewinnen möchte, sondern nach irdischen Vorzügen strebt und sich an seiner herausgehobenen Position freut. (Gregor der Große, Hom. in Ev. 14)

Ob aber einer ein Hirte ist oder ein bezahlter Knecht, das kann man nicht mit Sicherheit erkennen, wenn keine Notsituation da ist. Denn in ruhigen Zeiten wacht der bezahlte Knecht meistens genauso über die Herde wie der wahre Hirte. Wenn aber der Wolf kommt, dann zeigt sich, mit welcher Gesinnung er über die Herde wacht. (Gregor der Große, Hom. in Ev. 14)

Der Wolf fällt auch dann über die Schafe her, wenn irgendein ungerechter oder räuberischer Mensch die Gläubigen und die Niedrigen unterdrückt. Doch der, der ein Hirte zu sein schien, es aber nicht war, der läßt die Schafe zurück und flieht, denn er fürchtet die Gefahr, die von dem Wolf für ihn ausgeht, und wagt nicht sich dessen ungerechter Gewalt zu widersetzen. Er flieht aber nicht unbedingt dadurch, daß er seinen Platz verläßt, sondern auch dadurch, daß er [seiner Herde] den Trost entzieht. Der bezahlte Knecht wird keinen Eifer zeigen, sich gegen die ungerechte Gewalt zu stellen, denn er sucht nur den äußeren Vorteil und läßt es leichtfertig zu, wenn die Herde einen inneren Schaden nimmt. Darum heißt es: "Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt." Der einzige Grund also, daß der bezahlte Knecht flieht, ist der, daß er ein bezahlter Knecht ist. Das will sagen: Wer als Vorsteher keine Liebe zu den Schafen hat, sondern einen irdischen Gewinn sucht, der kann in der Gefahr nicht den Schafen zur Seite stehen, und deshalb fürchtet er auch sich der Gefahr entgegenzustellen, denn er könnte das, was er liebt [d. h. die irdischen Vorteile], verlieren. (Gregor der Große, Hom. in Ev. 14)

Wir sollen also den Hirten lieben, uns vor dem Räuber in acht nehmen und den bezahlten Knecht dulden, denn der bezahlte Knecht ist so lange von Nutzen, als er keinen Wolf, Dieb oder Räuber erblickt, doch wenn er einen sieht, dann flieht er. (Augustinus, De verbo Dom., serm. 49)

Er würde nicht bezahlter Knecht heißen, wenn er keinen Lohn von dem empfinge, der ihn angestellt hat. Während die Söhne aber das ewige Erbe vom Vater geduldig erwarten, wünscht der bezahlte Knecht nichts mehr als einen zeitlichen Lohn von seinem Herrn. Der Ruhm Christi aber wird durch das Wort beider verbreitet, das heißt, er fügt Schaden nur insofern zu, als er Böses tut, nicht insofern er Gutes spricht. Pflücke die Beeren, aber hüte dich vor den Dornen! Denn die Beere, die aus der Wurzel des Weinstocks hervorgegangen ist, hängt inmitten der Dornen, und es gibt viele, die in der Kirche irdischen Vorteilen hinterherlaufen, aber doch Christus verkündigen und die Stimme Christi zu Gehör bringen. Und die Schafe folgen, nicht dem bezahlten Knecht, sondern der Stimme des Hirten, die sie durch den bezahlten Knecht hören. (Augustinus, Tr. in Joh. Ev. 46)

14 Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich,
15 wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.

Von zwei schlechten Menschen hatte der Herr oben gesprochen: der eine, der [die Schafe] stiehlt und raubt und dahinschlachtet, der andere, der ihn nicht daran hindert. Mit jenem will er auf die hinweisen, die Zwietracht säen, mit diesem will er diejenigen jüdischen Lehrer beschämen, die nicht für die ihnen anvertrauten Schafe sorgen. Von beiden aber unterscheidet sich Christus: von jenen, die nur gekommen sind, um Schaden anzurichten, denn er sagt: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben" (Joh 10,10), und von denen, die bei den Raubzügen der Wölfe wegschauen, indem er sagt: "ich gebe mein Leben hin für die Schafe." Weil er aber oben gesagt hatte: "Die Schafe hören auf die Stimme des Hirten, ... und sie folgen ihm" (Joh 10,3f.), könnte einer sprechen: "Was aber sagst du über die, die dir nicht glauben?" Deswegen fügt er hinzu: "Ich kenne meine Schafe, und die meinen kennen mich." Dasselbe sagt auch Paulus mit den Worten: "Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er einst erwählt hat" (Röm 11,2). (Chrysostomus, In Joh., Hom. 60)

Offensichtlich will er sagen: "Ich liebe meine Schafe, und weil sie mich lieben, folgen sie mir. Wer nämlich die Wahrheit nicht liebt, der kennt sie auch nicht." (Gregor der Große, Hom. in Ev. 14)

Hier kann man auch den Unterschied zwischen dem bezahlten Knecht und dem Hirten erkennen: der bezahlte Knecht kennt nämlich die Schafe nicht, denn er besucht sie nur selten; weil aber der Hirte sich um seine Schafe viele Sorgen macht, kennt er sie auch [genau]. (Theophylactus)

Du sollst aber nicht glauben, daß die Schafe Christus so kennen, wie er sie kennt, darum fügt er hinzu: "wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne", das soll heißen, ich kenne ihn so genau, wie er mich kennt. Hier ist also auf beiden Seiten die gleiche Erkenntnis, in dem anderen Fall nicht. (Chrysostomus, Hom. 60)

Es folgt: "und ich gebe mein Leben hin für die Schafe", damit will er offensichtlich sagen: Daß ich den Vater erkenne und vom Vater erkannt werde, wird darin deutlich, daß ich mein Leben für meine Schafe hingebe. Das heißt: Durch die Liebe, mit der ich für meine Schafe sterbe, zeige ich auch, wie sehr ich den Vater liebe. (Gregor der Große, Hom. in Evang. 14)

16 Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten.

Er fügt hinzu: "Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind", denn er ist nicht nur gekommen, um das jüdische Volk zu erlösen, sondern auch, um die Heiden zu erlösen. (Gregor der Große, Hom. in Evang. 14)

Er zeigt dadurch, daß sie sich beide zerstreut hatten und ohne Hirten waren. Und es folgt: "und sie werden auf meine Stimme hören", damit will er sagen: "Was wundert ihr euch, daß diese mir folgen und meine Stimme hören werden? Ihr seht doch, daß die anderen mir folgen und meine Stimme hören." Und daraufhin kündigt er an, daß sie in Zukunft eine Herde sein werden, denn er fügt hinzu: "dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten." (Chrysostomus, Hom. 60)

Aus den beiden Herden macht er eine Herde, denn er verbindet das jüdische und das heidnische Volk im Glauben an sich. (Gregor der Große, Hom. in Evang. 14)

Was bedeutet also das Wort "Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt" (Mt 15,24) anderes, als daß der nur dem Volk Israel seine leibliche Gegenwart darbot, während er zu den Heiden nicht selbst ging, sondern Gesandte schickte? (Augustinus, Tr. in Joh. 47)

17 Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen.
18 Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.

Der Vater liebt aber den Sohn nicht so, daß er ihm seine Liebe als Belohnung für den Tod, den er unseretwegen auf sich genommen hat, geben würde, sondern er liebt ihn, weil er im gezeugten Sohn sein eigenes Wesen erkennt, da [der Sohn] mit derselben Liebe [wie sie der Vater hat] den Tod für uns erleiden wollte. (Theophylactus)

Oder er gebraucht diese Worte als Zugeständnis an unsere Schwachheit, das soll heißen: auch wenn es keinen anderen Grund gäbe, euch zu lieben, so drängt es sich mir doch auf, für euch zu sterben, da der Vater euch so liebt und ich auch wegen dieser Tat von ihm geliebt werden möchte. Nicht daß er nicht auch vorher vom Vater geliebt worden wäre, aber wir sind dadurch ein weiterer Grund geworden, daß er [den Sohn] liebt. Dasselbe will er auch zeigen, indem er freiwillig hingeht, um zu leiden, und darum heißt es: "Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin." (Chrysostomus, Hom. 60)

Dadurch zeigt er, daß er den leiblichen Tod nicht erlitt, weil er eine Sünde begangen hatte, sondern weil er es wollte; [und er erlitt ihn,] wann und wie er es wollte, weswegen folgt: "Ich habe Macht, es hinzugeben". (Augustinus, De Trin. III, 38)

Schon viele Male hatte man geplant, ihn zu töten, doch er sagt, daß diese Mühe nutzlos war, solange er es nicht wollte, denn ich habe die Macht, mein Leben hinzugeben, so daß keiner mich gegen meinen Willen dazu bewegen kann. Bei den Menschen ist das nicht so, denn wir haben nicht die Macht, es hinzugeben, außer wir töten uns selbst; er allein dagegen ist der Herr und er kann es hingeben. Wenn das aber wahr ist, dann steht auch fest, daß er es auch wieder nehmen kann, wann immer er will, darum folgt: "und ich habe Macht, es wieder zu nehmen." Dadurch weist er zweifellos auf seine Auferstehung hin. Damit man aber nicht glaubt, er sei vom Vater verlassen gewesen, als man ihn tötete, fügt er hinzu: "Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen", d.h. sein Leben hinzugeben und es wieder zu nehmen. Daraus soll man nicht herauslesen, daß er darauf gewartet hatte, diesen Auftrag zu bekommen und er erst lernen mußte, ihn zu erfüllen, vielmehr zeigt er dadurch, daß er sich freiwillig auf diesen Weg begab, und er zerstreut den Verdacht, daß das gegen den Willen des Vaters gewesen ist. (Chrysostomus, Hom. 60)

Es ist also kein anderer Auftrag hier ausgesprochen, als der, mit dem Willen des Vaters eins zu sein. (Theophylactus)

Dadurch, daß er hier davon spricht, seine Seele hinzugeben,Lat.: animam ponere (Vg), das wurde oben stets mit 'das Leben hingeben' wiedergegeben. werden wir über den Irrtum der Apollinaristen belehrt, die behaupten, daß Christus keine menschliche Seele, d.h. keine Vernunftseele, gehabt hätte. Doch fragen wir uns, auf welche Weise der Herr seine Seele hingegeben hat. Christus ist nämlich WORT und Mensch, das heißt er ist WORT, Seele und Fleisch. Hat er also seine Seele hingegeben und wieder genommen als das WORT, als menschliche Seele oder als Fleisch? Würden wir sagen: "Das Wort Gottes hat seine Seele hingegeben und wieder genommen", dann wäre jene Seele einmal vom Wort Gottes getrennt gewesen. Der Tod hat aber den Leib von der Seele getrennt, und ich behaupte nicht, daß [durch ihn] die Seele vom WORT getrennt war. Würden wir aber behaupten, daß sich die die Seele selbst hingegeben hat, so wäre das noch absurder, denn wenn die Seele schon nicht vom WORT getrennt war, wie konnte sie von sich selbst getrennt werden? Das Fleisch also gab seine Seele hin und nahm sie wieder, freilich nicht aus seiner eigenen Macht, sondern in der Macht dessen, der im Fleisch wohnte, nämlich des WORTES. (Augustinus, Tr. in Joh. 47)

 
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