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LESEJAHR A

Die Zeit im Jahreskreis

23. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 18,15-20
 
Wenn dein Bruder auf dich hört, so hast du ihn zurückgewonnen
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
 
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
15 Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.

Unser Herr mahnt uns, nicht gegenseitig über unsere Sünden hinwegzusehen. Er verlangt aber nicht, daß du nach etwas suchst, was du tadeln kannst, sondern daß du siehst, was du verbessern kannst. Wir sollen nämlich in Liebe zurechtweisen, und nicht weil wir begierig sind, dem anderen zu schaden, sondern weil wir ihn besser machen wollen. Wenn du darin nachlässig bist, dann bist du schlechter als der [den du zurechtweisen sollst]. Er hat sich, indem er Unrecht tat, selbst mit einer schweren Wunde geschlagen; und du verachtest die Verwundung deines Bruders: Wenn du schweigst, bist du schlechter als er, der zurechtgewiesen werden sollte. (Augustinus)

Es ist aber zu bedenken, daß der Herr das eine Mal den, der betrübt hat, zu dem, der betrübt worden ist, führt, etwa wenn er weiter oben sagt: "Wenn dir einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, geh und versöhne dich mit deinem Bruder" (Mt 5,23f). Ein andermal wendet er sich an den, der Unrecht erlitten hat, und befiehlt ihm, dem Nächsten zu vergeben: "Und erlaß uns unsere Schulden wie auch wir sie unsern Schuldnern erlassen haben" (Mt 5,12). Hier aber ersinnt er noch eine andere Art: er führt den, der betrübt worden ist, zu dem, der ihn betrübt hat; und so sagt er: "Wenn dein Bruder gegen dich sündigt". Da nämlich der, der Unrecht begangen hat, aus Scheu nicht leicht kommen wird, um sich zu entschuldigen, führt er den, der das Unrecht erlitten hat, zu ihm - und zwar nicht einfach so, sondern um das Geschehene wieder zu gut zu machen. Daher sagt er: "Geh und weise ihn zurecht". (Chrysostomus, In Matth.

Man muß nämlich wissen, daß ihr, wenn euer Bruder gegen euch sündigt oder aus irgendeinem Grund verletzt, die Vollmacht habt zu vergeben, ja, ihr habt sogar die Pflicht. Denn es ist geboten, daß wir unseren Schuldnern die Schuld erlassen. Deshalb wird auch hier gesagt: "Wenn dein Bruder gegen dich sündigt". Wenn aber jemand gegen Gott sündigt, liegt es nicht in unserem Ermessen [ob wir dagegen einschreiten]. Wir aber verhalten uns genau anders herum: wenn es um ein Unrecht gegen Gott geht, sind wir nachsichtig, doch wenn wir selbst beleidigt werden, lassen wir unserem Ärger freien Lauf. (Hieronymus)

Wenn also jemand gegen uns sündigt, sollen wir eifrig bemüht sein - nicht um uns, denn es ist ruhmreich, Unrecht zu vergessen; vergiß aber nur dein Unrecht, nicht die Verwundung deines Bruders. Weise ihn zurecht, wenn du mit ihm allein bist, sei bemüht, ihn zu bessern und nimm dabei Rücksicht auf sein Schamgefühl. Denn [sonst] beginnt er vielleicht vor lauter Scham, seine Sünde zu verteidigen, und du machst den, den du besser machen willst, schlechter. (Augustinus, De Verbo Dom.)

Der Apostel sagt: "Den Sünder klage vor allen an, damit auch die übrigen Furcht haben" (1 Tit 5,20): Wisse also, daß ein Bruder manchmal unter vier Augen zurechtzuweisen ist, manchmal aber vor allen. Doch was soll man zuerst tun? Merkt auf und seht: "Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, weise ihn unter vier Augen zurecht". Weshalb? Weil er gegen dich gesündigt hat? Doch was heißt: "er hat gegen dich gesündigt"? [Es heißt:] Du weißt, daß er gesündigt hat, da es im Verborgenen war, als er gegen dich gesündigt hat. Also sollst Du auch im Verborgenen verbessern, was er gesündigt hat. Denn wenn du allein weißt, daß er gegen dich gesündigt hat, und ihn in aller Öffentlichkeit anklagen willst, dann verbesserst du ihn nicht, sondern verrätst ihn. Dein Bruder hat also gegen dich gesündigt; aber wenn du allein es weißt, dann hat er wirklich nur gegen dich gesündigt, denn wenn er dir vor vielen Zuhören Unrecht getan hat, hat er auch gegen jene gesündigt, die er zu Zeugen seiner Ungerechtigkeit gemacht hat. Diejenigen Sünden sind also öffentlich zu tadeln, die auch öffentlich begangen wurden, im Verborgenen dagegen diejenigen, die im Verborgenen begangen wurden. Unterscheidet also die Zeiten und bringt so die Schriftstellen in Einklang miteinander!
Und aus welchem Grund verbesserst du deinen Nächsten? Weil dir die Sünde, die er gegen dich beging, wehtut? Das soll nicht sein! Wenn du es nur aus Liebe zu dir selbst tust, tust du nichts [Gutes]; handelst du aber aus Liebe zu ihm, dann tust du sehr gut. Der Text selbst sagt schließlich, aus Liebe zu wem du dies tun sollst: "Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen". Tu es also seinetwegen, damit du ihn zurückgewinnst. Erkenne ferner [in dem Text]: du verlierst das Heil auch schon, wenn du [nur] gegen einen Menschen sündigst - denn wenn du es nicht verloren hättest, wie konnte dein Bruder dich zurückgewinnen? Niemandem soll also gleichgültig sein, wenn er sich an seinen Bruder versündigt. (Augustinus)

Das belegt auch, daß Feindschaft ein Schaden für beide Seiten ist. Darum heißt es ja nicht, daß jener sich selbst gewonnen hat, sondern daß du ihn gewonnen hast. Das zeigt, daß aus der Zwietracht für dich und für ihn ein Schaden entstanden ist. (Chrysostomus, In Matth.)

Durch das Heil des anderen, werden wir selbst heil. (Hieronymus)

16 Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muß durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden.

Was du tun sollst, wenn er sich nicht überzeugen läßt, folgt: "nimm einen oder zwei Männer mit"! Je unverschämter und hartnäckiger er ist, umso mehr müssen wir uns bemühen, ihm die Medizin zu verabreichen, anstatt Zorn und Haß [gegen ihn] zu hegen. Denn wenn ein Arzt sieht, daß die Krankheit nicht nachläßt, dann gibt er nicht auf, sondern er bemüht sich umso mehr, sie zu heilen.
Beachte, daß der Tadel nicht aus Rache geschieht, sondern um den anderen zu bessern. Darum soll man auch nicht gleich zwei [Zeugen] hinzunehmen, sondern erst, wenn er sich nicht verbessern lassen will; und man soll auch nicht mit einer ganzen Menge daherkommen, sondern mit einem oder zwei. Dazu zitiert er das Gesetz, "denn jede Sache muß durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden" - er will sagen: Du sollst ein Zeugnis haben, daß du alles getan hast, was in deiner Macht stand. (Chrysostomus)

Oder: Wenn er gesagt hat, daß es keine Sünde ist, dann sollen sie ihm beweisen, daß es doch eine ist. (Glossa)

17 Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.

Das bedeutet, daß du ihn nicht mehr unter deine Brüder zählen sollst. Und dennoch soll dir sein Heil auch jetzt nicht gleichgültig sein. Denn selbst die Heiden, d.h. die anderen Völker und die Ungläubigen, zählen wir zwar nicht zu uns, sind aber dennoch immer um ihr Heil bemüht. (Augustinus, De Verbo Dom.)

Wir wollen untersuchen, ob dieses Urteil vielleicht nicht für jede beliebige Sünde gilt. Was ist, wenn einer eine Todsünde begeht? Zum Beispiel jemand, der mit Männern schläft, ein Ehebrecher, ein Mörder oder ein Lustknabe. Ist es bei so einem sinnvoll, ihn [zuerst] unter vier Augen zu beschuldigen? Und wenn er dann einsichtig ist, wird man sofort sagen, man hat ihn zurückgewonnen?D.h.: Soll man ihm keine Buße auferlegen? Soll man ihn erst dann aus der Kirche ausschließen, wenn er - nachdem er vor Zeugen und von der Gemeinde beschuldigt worden ist - bei seinem früheren Verhalten bleibt?
Der eine wird im Blick auf die unermeßliche Barmherzigkeit Christi sagen, daß - da Christus in seinen Worten auch keinen Unterschied zwischen den Sündern macht - man gegen die Barmherzigkeit Christi handelt, wenn man diese Worte nur auf kleinere Sünden bezieht und einen Unterschied [zwischen den Sündern] macht. Ein anderer dagegen, der dieselben Worte sorgfältig erwägt, wird bestreiten, daß das Gesagte für jede Sünde gilt. Denn wer die obigen schweren Sünden begangen hat, der ist kein Bruder, sondern heißt nur so. Mit ihm, soll man - wie der Apostel Paulus sagt - "nicht einmal zusammen essen" (1 Kor 5,11). So wie die einen, die meinen, daß diese Vorgehensweise für jede Sünde gilt, denen, die nachlässig sind, eine Gelegenheit zum Sündigen geben; so scheint der andere zu große Strenge zu vertreten, der lehrt, daß auch bei läßlichen und nicht zum Tod führenden Sünden der Betreffende (nach einer Beschuldigung durch Zeugen oder die Kirche) wie ein Heide oder ein Zöllner behandelt werden soll.
Ob er aber gänzlich verlorengeht, können wir nicht entscheiden, denn zum einen kann der, der dreimal beschuldigt wurde und nicht gehorcht hat, beim vierten Mal gehorsam sein; zum andern, weil einem Sünder manchmal nicht nur nach seinen Taten vergolten wird, sondern noch darüber hinaus (weil es ihm in dieser Welt [zu seinem Heil] von Nutzen ist). Und schließlich hat der Herr nicht gesagt "der sei wie ein Heide oder ein Zöllner", sondern "für dich sei er ..." Wer sich also, nachdem er dreimal wegen einer leichten Sünde zurechtgewiesen wurde, nicht bessert, den sollen wir wie einen Heide oder einen Zöllner behandeln, wir sollen uns von ihm fernhalten, damit er aufgerüttelt werde. Ob er aber auch vor Gott als Heide oder Zöllner gilt, das haben nicht wir zu entscheiden, sondern es obliegt dem Urteil Gottes. (Origenes)

18 Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.

Anders gesagt: Du hast begonnen, deinen Bruder wie einen Zöllner zu behandeln und ihn [so] auf Erden gebunden. Aber sieh, daß du ihn zu Recht bindest, denn die Gerechtigkeit zerreißt ungerechte Fesseln. Wenn du ihn aber verbessert und dich mit deinem Bruder versöhnt hast, hast du ihn auf Erden gelöst. Und wenn du ihn auf Erden gelöst hast, wird er auch im Himmel gelöst sein. Du tust damit nicht dir etwas Gutes, sondern ihm, denn nicht dir hat er am meisten geschadet, sondern sich. (Augustinus, De verbo Dom.)

19 Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.
20 Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Seine Zusicherung ist nicht nur für die Exkommunikation gültig, sondern für jede Bitte, die mehrere übereinstimmend und in Gemeinschaft mit der Kirche vortragen; denn der Herr ergänzt: "Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten", sei es die Wiederaufnahme eines Büßers oder der Ausschluß desjenigen, der sich nicht beugen will. Wenn es der Einheit der Kirche nicht entgegensteht, dann "werden sie [es] von meinem himmlischen Vater erhalten".
Indem er sagt: "mein Vater im Himmel", macht er deutlich, daß er über allem steht und deshalb alles erfüllen kann, um was er gebeten wird. Oder "der im Himmel ist" bedeutet: bei den Heiligen. Das beweist [noch einmal], daß ihnen alles, um was sie bitten, gewährt wird (solange es würdig ist), denn sie haben den bei sich, von dem sie es erbitten.
Ein übereinstimmender Spruch ist daher gültig, denn Gott wohnt bei ihnen, wie es im folgenden heißt: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20). (Glossa, Apud Anselm)

Er sagt nicht: "ich werde in ihrer Mitte sein", sondern "ich bin in ihrer Mitte", denn sobald mehrere eines Sinnes sind, findet man Christus unter ihnen. (Origenes)

Er selbst, der der Friede und die Liebe ist, wird seinen Sitz und seine Wohnung bei denen errichten, die friedfertig und voll guten Willens sind. (Hilarius)

Und darum werden wir, wenn wir beten, nicht erhört: weil wir auf Erden nicht in allem übereinstimmen, weder in den Glaubenslehren noch im Umgang [miteinander]. Denn so wie in der Musik der Zuhörer keine Freude hat, wenn die Stimmen nicht harmonisch zueinander klingen, so ist es auch in der Kirche: wenn es keinen Konsens gibt, hat Gott keine Freude an ihr und hört auch nicht auf sie. (Origenes)

Das kann man auch auf das geistliche Leben beziehen: Wo Geist, Seele und Leib übereinstimmen und nicht entgegengesetzte Bestrebungen im Streit miteinander liegen, da erhält man vom Vater das, worum man bittet. Es gibt nämlich keinen Zweifel, daß man wirklich um etwas Gutes bittet, wenn Leib und Geist dasselbe verlangen. (Hieronymus)

 
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