Vorige Seite Vorige Seite   Index   Nächste Seite Nächste Seite
 

LESEJAHR A

Die Zeit im Jahreskreis

2. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Joh 1,29-34
 
Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
 
In jener Zeit
29 sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.

Christus heißt das Lamm Gottes, entweder weil Gott der Vater den Tod Christi zu unserem Heil angenommen hat, oder weil er ihn für uns dem Tod überantwortete, so wie man zu sagen pflegt, dies ist das Opfer dieses Menschen, das heißt, das Opfer, das dieser Mensch darbringt. [...] Jenes Lamm freilich, das [im jüdischen Opferritus] vorausbildlich dargebracht wurde, trug keines einzigen Menschen Sünde, dieses aber trug die Sünde des ganzen Erdkreises und rettete die Welt vor dem Zorn Gottes, darum fügt er hinzu "das die Sünde der Welt hinwegnimmt". Er sagt aber nicht "das hinwegnehmen wird", sondern "das die Sünde der Welt hinwegnimmt", denn er tut dies gleichsam in jedem Moment, denn er nahm sie nicht nur damals hinweg, als er sich dem Leiden hingab, sondern seit jener Zeit bis heute nimmt er sie hinweg, wobei er freilich nicht immer gekreuzigt wird, sondern er brachte ein einziges Opfer dar für die Sünden und durch dieses reinigt er [die Welt] zu jeder Zeit. (Theophylactus)

Erst dann aber wird die Sünde des Menschengeschlechts vollkommen hinweggenommen sein, wenn unsere Vergänglichkeit in unvergängliche Herrlichkeit verwandelt werden wird: denn wir können nicht frei von Schuld sein, solange wir in einem sterblichen Leib sind. (Gregor der Große, Moralia)

Warum aber sagt er nicht "die Sünden der Welt", sondern "die Sünde"? Weil er nämlich durch das Wort "die Sünde" auf die Sünde insgesamt hinweisen will, so wie wir ja auch sagen, daß der Mensch (Adam) aus dem Paradies vertrieben wurde, das heißt, das ganze menschliche Geschlecht. (Theophylactus)

30 Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.

Nach mir kommt er, weil er nach mir geboren ist, und er ist mir voraus, weil er mir vorgezogen wurde. (Augustinus, In Johannem)

Er eröffnet den Grund, warum er vorgezogen wurde, wenn er hinzufügt: "weil er vor mir war", denn dadurch sagt er gewissermaßen ganz offen: er, der nach mir geboren wurde, übertrifft mich darin, daß seine Geburt nicht innerhalb des engen Rahmens der Zeit stattfand, denn er, der durch eine Mutter in der Zeit geboren wurde, ist zeitlos vom Vater gezeugt worden. (Gregor der Große, In Evang.)

31 Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekanntzumachen.

Damit es aber nicht scheint, daß er ihm dieses Zeugnis aus verwandtschaftlicher Verbundenheit ausstellt (dem Fleisch nach war er ja mit ihm verwandt), heißt es: "Auch ich kannte ihn nicht." Mit der Vernunft betrachtet sieht es nämlich so aus: Johannes lebte in der Wüste. Die Wunder aber, die in der Kindheit Jesu geschehen sind (die Sache mit den Magiern und ähnliches) waren schon lange her und Johannes war zu dieser Zeit auch noch ein Kind. In der Zwischenzeit aber lebte Jesus, ohne daß er jemandem bekannt wurde, deswegen fügt [Johannes] auch hinzu: "Um Israel mit ihm bekanntzumachen, bin ich gekommen und taufe mit Wasser". Darum ist auch klar, daß jene Wunder, die Christus nach dem Bericht einiger [apokrypher Schriften] in der Kindheit getan haben sollte, nur Lügen und Phantastereien sind. Denn hätte er von früher Kindheit an Wunder getan, dann hätte Johannes ihn kennen müssen und das übrige Volk hätte keines Lehrers bedurft, der auf ihn hinweist. Deutlich wird auch, daß Christus nicht der Taufe bedurfte und daß es keinen anderen Grund für diese Taufe gab als den, ein Vorausbild des Glaubens an Christus darzustellen. [Johannes] sagte nämlich nicht: "um die zu reinigen, die getauft werden", oder: "ich bin gekommen und taufe, um von Sünden zu befreien", sondern er sagt: "um Israel mit ihm bekanntzumachen." Aber hätte er nicht auch ohne zu taufen predigen und die Menschen anziehen können? Es war jedenfalls einfacher, es auf diese Weise zu tun, und es wären auch nicht alle gekommen, wenn er gepredigt hätte, ohne zu taufen. (Chrysostomus, Hom. 17,2)

32 Und Johannes bezeugte: Ich sah, daß der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb.

Johannes bezeugte etwas so großes, das alle Zuhörer in Staunen versetzen konnte, nämlich, daß allein dieser die Sünden der ganzen Welt hinwegnehmen würde. Und weil er die Glaubwürdigkeit dessen deutlich machen wollte, führte er es auf Gott und den Heiligen Geist zurück. Es hätte ja jemand Johannes fragen können: Wie hast du ihn denn erkannt? Und er wird darauf antworten: durch das Herabsteigen des Heiligen Geistes. (Chrysostomus, Hom. 17,2)

Die Salbung durch den Heiligen Geist empfing Christus aber nicht zu dem Zeitpunkt, als [der Geist] wie eine Taube auf den Getauften herabstieg. Hier stellt er vielmehr im voraus seinen Leib, die Kirche, dar, in dem die Getauften vor allem den Heiligen Geist empfangen. Es ist nämlich völlig absurd zu glauben, daß er erst mit dreißig Jahren (denn in diesem Alter ist er von Johannes getauft worden) den Heiligen Geist empfangen hat. Er kam ja ohne irgendeine Sünde zu dieser Taufe, und also nicht ohne den Heiligen Geist. [...] (Augustinus, De Trin. 15,46)

Er sagt aber, daß [der Geist] auf ihm blieb, denn der Heilige Geist kommt zu allen Gläubigen, aber allein beim Mittler bleibt er immer auf einzigartige Weise, denn er verläßt den als Menschen nicht, aus dessen Gottheit er hervorging. Wenn aber über demselben Geist zu den Jüngern gesagt wird: "Er wird bei euch bleiben" (Joh 14,17), warum ist es dann ein besonderes Zeichen, daß er in Christus bleibt? Das erkennt man schnell, wenn man die Gaben des Geistes unterscheidet: Mit den Gaben nämlich, ohne die man nicht zum Leben kommen kann, bleibt der Heilige Geist immer bei allen Erwählten. Das sind: Milde, Demut, Glaube, Hoffnung, Liebe. Mit jenen Gaben freilich, in denen sich der Geist zeigt, die aber nicht auf die Bewahrung des eigenen Lebens zielen, sondern durch die das Leben für andere angestrebt wird, bleibt er nicht immer bei uns, sondern er entzieht sie uns manchmal, damit wir die Kräfte, die seine sind, umso demütiger besitzen. Christus jedoch hatte den Heiligen Geist in allen diesen Gaben immer und ohne Unterlaß gegenwärtig. (Gregor der Große, Moralia 54)

33 Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.
34 Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.

Der Vater spricht und verkündet den Sohn, der Geist aber kommt herab auf das Haupt Christi und bezieht so die Worte auf ihn, damit keiner der Anwesenden glaubt, daß das, was über Christus gesagt wurde, über Johannes gesagt wurde. Es mag aber einer fragen: Warum kamen die Juden nicht zum Glauben, wenn sie doch den Geist sahen? Für solches braucht man nicht nur leibliche Augen, sondern vielmehr noch einen geistigen Blick. Denn obgleich sie ihn Wunder vollbringen sahen, waren sie doch so trunken vor Mißgunst, daß sie das Gegenteil von dem, was sie sahen, verbreiteten. Wie also hätte allein das Kommen des Geistes in Gestalt einer Taube ihren Unglauben vertreiben können? Manche sagen auch, daß nicht alle den Geist sahen, sondern nur Johannes und diejenigen, die eine fromme Gesinnung hatten. Denn wenn man den Geist auch in Gestalt einer Taube mit den leiblichen Augen herabsteigen sehen konnte, so folgt daraus nicht notwendig, daß allen die Bedeutung [dieser Erscheinung] klar war. Es hatten ja auch Sacharja, Daniel und Ezechiel vieles geschaut, was eine sinnlich wahrnehmbare Gestalt besaß, und Moses schaute vieles, was kein anderer sah. Und Johannes fügt hinzu: "Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes." Denn er hatte bereits gesagt, daß er das Lamm ist und daß er im Geist taufen muß - daß er aber der Sohn ist, hatte er zuvor noch nirgends verkündet. (Chrysostomus)

 
Vorige Seite Vorige Seite Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang Nächste Seite Nächste Seite