Vorige Seite Vorige Seite   Index   Nächste Seite Nächste Seite
 

LESEJAHR B

Die Zeit im Jahreskreis

17. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Joh 6,1-15
 
Jesus teilte an die Leute aus, soviel sie wollten
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
 
In jener Zeit
1 ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt.
2 Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
3 Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder.

Das tat er im Hinblick auf das Zeichen, das geschehen sollte. Er stieg auch deswegen auf den Berg, um uns zu lehren, daß wir vom Lärm und der Unruhe, die in der Welt ist, zur Ruhe kommen müssen. Der Liebe zur Weisheit ist die Einsamkeit förderlich. (Chrysostomus)

4 Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe.

Beachte, daß der Evangelist über ein ganzes Jahr des Lebens Jesu nicht mehr als zwei Wunder berichtet: die Heilung des Gelähmten und die Heilung des Sohnes des königlichen Beamten. Er wollte nämlich nicht alles berichten, sondern aus vielen Ereignissen einige wenige wichtige. (Chrysostomus)

Und warum ging er zum Fest nicht nach Jerusalem hinauf? Weil die Juden ihn verfolgten, nahm er dies zum Anlaß, sich zurückzuziehen; er ließ das Gesetz draußen und gab denen, die es beobachteten, zu verstehen, daß alle Vorausbilder weichen, wenn die Wirklichkeit kommt. (Theophylactus)

5 Als Jesus aufblickte und sah, daß so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?
6 Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wußte, was er tun wollte.

Warum fragte er den Philippus denn? Weil er wußte, daß die Jüngerschar noch weitere Belehrung nötig hatte. Er zwingt zunächst dazu, die Notlage anzuerkennen, damit die Größe des Wunders um so gewisser erkannt werde. Darum folgt: er sagte das nur, um ihn auf die Probe zu stellen. Er, "der die Herzen der Menschen erforscht", erforscht nicht aus Unwissenheit, vielmehr ist sein Erforschen das Zeichen sichersten Wissens. Ebenso ist es in diesem Fall, wenn es heißt: er stellte ihn auf die Probe; das bedeutet: weil er ihn durch und durch kannte. Man kann aber auch sagen, daß er den Philippus durch die Frage "erprobter" machte; denn er führte ihn dadurch zur sicheren Erkenntnis des Zeichens. (Chrysostomus)

7 Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll.

Damit läßt er erkennen, daß sein Geist langsam war; denn wenn er die Macht des Schöpfers wirklich erkannt hätte, dann hätte er nicht an seiner Großzügigkeit gezweifelt. (Alkuin)

8 Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm:
9 Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele!

Ich glaube, es gibt einen bestimmten Grund für diese Antwort. Er hatte wohl von dem Wunder gehört, das Elischa mit den Gerstenbroten gewirkt hatte: die Speisung von hundert Menschen mit zwanzig Broten. Er erhob sein Denken schon zu einer beachtlichen Höhe - doch den Gipfel erreichte er nicht. Das zeigt der Satz: Was ist das für so viele. Er war wohl der Ansicht, daß er, der Wunder wirkt, aus weniger auch weniger, aus mehr auch mehr machen könne. Aber das ist nicht wahr. Für ihn war es genauso einfach, aus vielen wie aus wenigen Broten die Menge satt zu machen. Es kommt nicht auf die Menge der zugrundeliegenden Materie an. Doch er gebraucht das Geschaffene zum Wunder, damit niemand meine, es stünde außerhalb seiner schöpferischen Weisheit. (Chrysostomus)

Es mögen zuschanden werden die Manichäer, die behaupten, daß das Brot und alles derartige von einem bösen Gott erschaffen sei. Der Sohn des guten Gottes, Jesus Christus, hat Brot vermehrt. Wäre das Geschaffene schlecht, hätte der Gute es niemals vermehrt. (Theophylactus)

10 Jesus sagte: Laßt die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer.
11 Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, soviel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen.

Warum betet er nicht, als der Gelähmte geheilt werden sollte, warum nicht bei der Erweckung von Toten, warum nicht bei der Stillung des Sturmes, hier aber betet er ein Dankgebet? Um zu zeigen, daß man zu Beginn des Essens beten soll. Außerdem: er betet meist bei den geringeren Taten, damit wir verstehen, daß er nicht aus Bedürftigkeit betet. Denn hätte er es nötig, zu bitten, dann hätte er es vor allem bei den ganz großen Taten getan. Da er diese Dinge aber aus seiner Vollmacht heraus wirkt, ist es klar, daß sein Gebet unseretwegen geschieht; er stellt sich mit uns auf eine Stufe. Auch war es angebracht, die vielen dort versammelten Menschen erkennen zu lassen, daß er nach dem Willen Gottes gekommen war: Wenn er im Verborgenen ein Wunder wirkte, betete er nicht; wenn aber viele Menschen zugegen waren, dann betete er, damit sie nicht wähnten, er handle gegen Gottes Willen. (Chrysostomus)

Fünf Brote werden der Schar gereicht und gebrochen. Während sie gebrochen werden, geschieht unter den Händen eine Art FortpflanzungLat. procreatio: Fortsetzung der Erschaffung: Das Stück, von dem abgebrochen wird, wird nicht kleiner, und doch ist die Hand, die bricht, mit Stücken gefüllt. Sinn und Auge kommen nicht mit bei diesem Geschehen, während man doch die Handlung selbst sehen kann. Da ist etwas, was nicht war, und es wird etwas gesehen, was nicht eingesehen wird. Es bleibt nur zu glauben, daß Gott alles vermag. (Hilarius)

Wie er die Saat weniger Getreidekörner vermehrt, so vermehrt er in seinen Händen die fünf Brote. Die Macht dazu liegt in den Händen Christi, die fünf Brote aber waren gleichsam wie Samen - freilich nicht der Erde übergeben, sondern von dem vermehrt, der die Erde erschaffen hat. (Augustinus)

12 Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übriggebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.
13 Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Stücken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren.

Die augenscheinliche Bekräftigung war nicht überflüssig: sie sollten nicht für Einbildung halten, was geschehen war. Aus dem gleichen Grund wirkte der Herr das Wunder aus einer bereits vorliegenden Materie. Aber warum gab er den Auftrag, die Stücklein zusammenzutragen, nicht der Menge, sondern den Jüngern? Er wollte gerade sie belehren, daß sie die Lehrmeister des Erdkreises sein sollten. Ich aber bestaune nicht nur, daß so viel Brot entstand, sondern auch die Tatsache, daß genau so viel übrigblieb: Nicht mehr und nicht weniger blieb übrig als das, was er wollte, nämlich zwölf Körbe entsprechend der Zahl der Apostel. (Chrysostomus)

14 Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.

Die Menschen, die noch nicht ganz von Glauben erfüllt sind, nennen den Herrn "Prophet"; sie verstanden noch nicht, ihn "Gott" zu nennen. Doch hatten sie aufgrund des Wunders bereits einen gewaltigen Fortschritt gemacht, indem sie ihn von gewöhnlichen Menschen unterschieden und "Prophet" nannten - denn es war bekannt, daß Propheten in jenem Volk zuweilen Wunder wirkten. Auch verfallen sie damit keiner Täuschung; denn der Herr selbst nennt sich einmal "Prophet" (Lk 13,33), wenn er sagt: Ein Prophet dürfe nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen. (Alkuin)

Christus ist Prophet, insofern er der Herr der Propheten ist; ebenso ist er EngelLat.: angelus, d.h. Engel oder Bote, weil er der Herr der Engel ist. Weil er Gegenwärtiges verkündigte, war er EngelLat. wieder: angelus, hier im Sinne von Bote gebraucht., weil er Zukünftiges vorausverkündete, war er "Prophet". Als das WORT aber, das Fleisch geworden ist, ist er Herr der Propheten und der Engel. Es gibt nämlich keinen Propheten ohne das Wort Gottes. (Augustinus)

Aus dem Wort der in die Welt kommen soll wird deutlich, daß die Leute einen ganz besonders herausragenden Propheten erwarteten. Im Griechischen steht daher der Artikel: Dieser ist wahrhaft der Prophet - was zeigt, daß er von anderen Propheten unterschieden ist. (Chrysostomus)

Bedenke aber folgendes: Da Gott nicht solcher Art ist, daß man ihn mit leiblichen Augen sehen könnte, und weil seine Wundertaten, durch die er die Welt regiert und für alle Geschöpfe sorgt, gering geachtet werden, weil sie fortwährend geschehen, darum hat er sich vorbehalten, zur rechten Zeit auch Dinge außerhalb des gewöhnlichen Laufes der Natur zu wirken. Diese Wunder sind nicht größer als die alltäglichen, aber ungewohnt; denn die Menschen, welche die alltäglichen geringschätzen, sollen staunen lernen, wenn sie die außergewöhnlichen sehen. Ist doch die Lenkung der ganzen Welt ein größeres Wunder als die Sättigung von fünftausend Menschen mit fünf Broten - doch das eine bewundert niemand, das andere schon - nicht weil es ein größeres Wunder, sondern weil es ein seltenes ist. [...] (Augustinus)

Indem er "brach" und öffnete, was im Gesetz hart und verschlossen war, erfüllte es der Herr durch seine JüngerD.h. nicht mehr dem Buchstaben, sondern dem Geist nach., als er ihnen nach seiner Auferstehung die Schriften erschloß. (Augustinus)

Körbe gebraucht man für knechtliche Dienstleistungen. Die Körbe bezeichnen daher die Apostel und diejenigen, die sie nachahmen: Obwohl sie jetzt ohne große Ehrerbietung betrachtet werden, sind sie in ihrem Innern voll von den Geheimnissen des Heils. [...] Daß der Herr nicht einfach neues Brot erschaffen wollte, sondern die herbeigebrachten Brote vermehrte, weist darauf hin, daß er die Schrift des Alten Bundes nicht verwarf, sondern ihren Sinn erschloß und offenlegte. (Alkuin)

15 Da erkannte Jesus, daß sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.

Er war der König, der fürchtete, zum König gemacht zu werden; denn er war nicht ein König, der von Menschen dazu gemacht wird, sondern der, welcher den Menschen das Königreich verleiht. Immer regiert er als der Sohn des Vaters in Einheit mit dem Vater. Die Propheten aber haben sein Reich vorausverkündet, und zwar insofern er der menschgewordene Christus ist und seine Gläubigen zu Christen, das heißt: zu seinem Reich, macht. Noch wird dieses Reich gesammelt, noch wird es erkauft mit dem Blut Christi. Einmal aber wird dieses Reich offenbar werden, wenn nach dem Gericht die Herrlichkeit der Heiligen Christi offenbar wird. Die Jünger aber und die Menschenmenge, die an ihn glaubten, nahmen an, er sei jetzt schon gekommen, um zu herrschen. Das heißt: ihn mit Gewalt zum König machen wollen. (Augustinus)

 
Vorige Seite Vorige Seite Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang Nächste Seite Nächste Seite