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LESEJAHR B

Die Fastenzeit

PALMSONNTAG

 

Feier des Einzugs Christi in Jerusalem
Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mk 11,1-10
 
Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
 
Es war einige Tage vor dem Osterfest.
1 Als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage und Betanien am Ölberg, schickte Jesus zwei seiner Jünger voraus.

Der Evangelist beschreibt seine Ankunft in Jerusalem ganz deutlich, damit sie seine Herrlichkeit erkennen, wenn sie wollen, und durch die Prophetien über ihn, die sich erfüllt haben, verstehen, daß er wahrhaft Gott ist; wenn sie aber nicht wollen, soll das Gericht über sie um so strenger sein, da sie so vielen deutlichen Zeichen nicht geglaubt haben. (Theophylactus)

Im geistlichen Sinn aber nähert sich der Herr Jerusalem, d.h. der Schau des Friedens. In ihr bleibt festgegründete und unwandelbare Glückseligkeit, die, wie der Apostel sagt, allen Gläubigen zuteil werden soll. (Hieronymus)

Bethanien bedeutet: "Haus des Gehorsams": Denn da er viele Menschen vor seinem Leiden gelehrt hatte, hat er sich ein Haus des Gehorsams erbaut. Es wird gesagt, dass es am Ölberg gelegen ist: Denn die Kirche wird durch die Salbung mit geistlichen Gnadengaben des Wissens und der Frömmigkeit wieder belebt. (Beda)

Zu zweit werden die Jünger Christi gerufen, und zu zweit werden sie ausgesandt: Denn die Liebe gibt es nicht bei einem allein, wie es im Buch Jesus Sirach heißt: Weh den Einsamen! (Hieronymus)

2 Er sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; gleich wenn ihr hineinkommt, werdet ihr einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los, und bringt ihn her!
3 Und wenn jemand zu euch sagt: Was tut ihr da?, dann antwortet: Der Herr braucht ihn; er läßt ihn bald wieder zurückbringen.
4 Da machten sie sich auf den Weg und fanden außen an einer Tür an der Straße einen jungen Esel angebunden, und sie banden ihn los.

Das Eselfohlen bedeutet nämlich das ungezügelte freie Volk der Heiden. Auf ihm saß bisher noch kein Mensch: Denn kein verständiger Lehrer hatte ihm durch nutzbringende Unterweisung den Zügel der Korrektur angelegt, durch den es die Zunge vom Bösen zurückhält und angehalten wird, den rechten Weg des Lebens zu gehen. ( Beda)

Sie fanden das Fohlen angebunden draußen vor dem Hauseingang, denn das heidnische Volk war durch die Fesseln seiner Sünden gebunden vor dem Hauseingang des Glaubens, d.h. außerhalb der Kirche. (Beda)

Oder: "auf der Straße" bedeutet: in diesem Leben. Es wurde aber von den Jüngern losgebunden durch die Taufe und den Glauben. (Theophylactus)

5 Einige, die dabeistanden, sagten zu ihnen: Wie kommt ihr dazu, den Esel loszubinden?
6 Sie gaben ihnen zur Antwort, was Jesus gesagt hatte, und man ließ sie gewähren.

Sie hätten das aber nicht erlaubt, wenn nicht eine göttliche Kraft auf sie eingewirkt hätte, die sie dazu drängte; vor allem weil die Bauern und Landarbeiter dabei standen und die Erlaubnis gaben, das Fohlen wegzuführen. (Theophylactus)

7 Sie brachten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier, und er setzte sich darauf.

Sie legen ihre Kleider [auf das Tier], d.h. sie bringen das Gewand der ursprünglichen Unsterblichkeit durch das Sakrament der Taufe herbei. Jesus aber sitzt auf ihm, d.h. er beginnt, in ihnen zu herrschen, damit nicht die Sünde herrscht in der Ungezügeltheit des Fleisches, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist. (Hieronymus)

Der Herr mußte für den Weg vom Ölberg bis nach Jerusalem nicht notwendigerweise auf dem jungen Esel reiten - durch ganz Judäa und Galiläa war er zu Fuß gegangen; vielmehr war das, was geschah, ein Zeichen. (Chrysostomus)

8 Und viele breiteten ihre Kleider auf der Straße aus; andere rissen auf den Feldern Zweige (von den Büschen) ab und streuten sie auf den Weg.

Laßt auch uns Zweige von den Bäumen abreißen, d.h. die Heiligen nachahmen, und sie auf den Weg unseres Lebens streuen. Denn die Bäume bedeuten die Heiligen, und derjenige reißt einen Zweig ab, der ihre Tugend nachahmt. (Theophylactus)

9 Die Leute, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!

Und weil alle Erwählten, diejenigen, die in Judäa sein konnten und die, die jetzt in der Kirche sind, an den Mittler zwischen Gott und den Menschen glaubten und glauben - deswegen riefen sowohl die, die vor ihm hergingen, als auch die, die ihm folgten: Hosanna. (Beda)

Die Menge war nämlich bis jetzt noch nicht verdorben, sie erkannte, was angemessen war: Deshalb gab ein jeder, wie er es vermochte, Jesus die Ehre: die einen sangen Loblieder, die anderen griffen einen levitischen Jubelruf auf, indem sie "Hosanna" riefen. "Hosanna" bedeutet, wie die einen meinen: "Mach mich heil!"; andere meinen, es sei ein Jubelruf. Ich denke, daß das erste eher zutrifft, denn in Ps 117, 25 heißt es: O Herr, mach mich heil!, wo im Hebräischen "Hosanna" steht". ( Chrysostomus )

"Hosanna" rufen sie, d.h. "Mache uns heil!", damit die Menschen von ihm gerettet werden, der gepriesen ist, der siegt, der kommt im Namen des Herrn, d.h. seines Vaters; denn der Sohn hat den Namen vom Vater empfangen, und der Vater vom Sohn. (Hieronymus)

10 Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!

Das Reich Christi wird hier "Reich Davids" genannt, weil Christus aus dem Geschlecht Davids stammt, und auch weil David "mit starker Hand" bedeutet. Wer aber war "mit starker Hand", wenn nicht der Herr, dessen Hand so viele und so große Wunder getan hat? (Theophylactus)

Wir lesen aber beim Evangelisten Johannes, daß Jesus auf den Berg floh, damit sie ihn nicht zum König machten. Jetzt aber, als er nach Jerusalem kommt, wo er seine Passion erleiden wird, zieht er sich nicht vor denen zurück, die ihn König nennen. So lehrt er deutlich, daß er nicht König eines zeitlichen und irdischen Reiches, sonders des ewigen Reiches im Himmel ist, und daß er durch die Verachtung des Todes zur Herrschaft gelangt. Es ist auch zu beachten, wie die Stimme des Volkes mit der Gabriels übereinstimmt, der gesagt hatte: Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. (Beda)

Und danach geben sie Gott die Ehre, wenn sie rufen: "Hosanna in der Höhe", d.h. Lobpreis und Ehre sei dem Gott des Weltalls, der in der Höhe ist. (Chrysostomus)

 
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Oder:
Zur LeseordnungEVANGELIUM   Joh 12,12-16
 
Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
 
In jener Zeit
12 hörte die Volksmenge, die sich zum Osterfest eingefunden hatte, Jesus komme nach Jerusalem.
13 Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen, und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!

Hier wird sichtbar, wie groß der Erfolg seiner Predigt war und wie groß die Herde der verlorenen Schafe aus dem Hause Israel war, die die Stimme des Hirten hörten. [...] Die Palmzweige aber sind Loblieder, die den Sieg des Herrn anzeigen. Er sollte ihn erringen, indem er durch sein Sterben den Tod bezwang und mit dem Siegeszeichen des Kreuzes über den Teufel, den Todesfürsten, triumphierte. (Augustinus, In Joh.)

Sie zeigten schließlich, daß sie ihn für größer hielten als irgendeinen Propheten, denn es folgt: "und sie zogen ihm entgegen und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!" (Chrysostomus, In Joh.)

Das ist es, was die Menschen am meisten dazu bewegte, an Christus zu glauben: daß er sich Gott nicht widersetzte; und dadurch ermutigte er das Volk am meisten, daß er sagte, er sei vom Vater gekommen.Vgl. Joh 16,28 Aus diesen Worten entnehmen wir [schließlich], daß er Gott ist, denn "Hosanna" heißt übersetzt: "Rette uns". Die Rettung aber kommt allein von Gott, wie die Schrift sagt. Weil er aber wahrhaft Gott ist, sagen sie: "der kommt", und nicht: "der gebracht wird", denn letzteres kommt einem Sklaven zu, ersteres dem Herrn. [...] (Chrysostomus, Hom. 66,1)

Was aber bedeutete es für den König der Welt, wenn er [hier] zum König über Menschen gemacht wurde? "König Israels" wollte Christus nicht deshalb sein, um Abgaben verlangen zu können oder ein Heer mit Waffen auszurüsten, sondern um Herr über die Seelen zu sein und sie ins Himmelreich zu bringen. König über Israel sein zu wollen, bedeutete für ihn nicht, zu größerer Ehre zu gelangen, sondern er ließ sich dazu herab. Er vermehrte dadurch nicht seine Macht, sondern er zeigte sein Erbarmen, denn der, den sie auf Erden den König der Juden nannten, der ist im Himmel der Herr über die Engel. (Augustinus, Tr. 51,4)

Die Juden nannten ihn König Israels, denn sie erträumten sich einen irdischen König. Sie erwarteten einen übermenschlichen König, der sich erheben und sie von der Herrschaft der Römer befreien sollte. Der Evangelist aber zeigt, auf welche Weise der Herr [wirklich] kam: "Jesus fand einen jungen Esel und setzte sich darauf." (Theophylactus)

14 Jesus fand einen jungen Esel und setzte sich darauf - wie es in der Schrift heißt:
15 Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt; er sitzt auf dem Fohlen einer Eselin.

Das wird hier nur kurz berichtet, denn bei den anderen Evangelisten liest man ausführlich, wie es sich zugetragen hat. Der junge Esel, auf dem noch nie jemand gesessen hatte, - so heißt es bei den anderen EvangelistenVgl. Mt 21,7, Mk 11,7, Lk 19,35 - bedeutet das Heidenvolk, das das Gesetz des Herrn noch nicht angenommen hatte. Die Eselin hingegen (denn beide wurden zum Herrn geführt)So die Darstellung bei Mt 21,5-7 bezeichnet sein Volk, das aus dem Stamm Israels zu ihm kam. (Augustinus, Tr. 51,5)

Er tat das als eine prophetische Handlung, denn das unreine Volk der Heiden mußte er sich unterwerfen; zugleich erfüllte er damit eine Prophezeiung.Vgl. Sach 9,9 (Chrysostomus, Hom. 66,1)

Auf dieses Tun bezieht sich das prophetische Zeugnis. Dadurch sollte aufscheinen, daß die schlechten Fürsten der Juden ihn nicht erkannten, obwohl sich an ihm erfüllte, was sie [in der Schrift] lasen. Darum heißt es: "wie geschrieben steht: Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt; er sitzt auf dem Fohlen einer Eselin." In jenem Volk war ja die Tochter Zion, [in ihm war] ja Jerusalem selbst, d. h. Zion, zu dem gesagt wird: Fürchte dich nicht vor jenem, sondern erkenne ihn, der von dir gelobt wird. Und erschauere nicht, wenn er leidet, denn jenes Blut wird vergossen, damit dein Vergehen dadurch getilgt wird und du das Leben gewinnst. (Augustinus, Tr. 51)

Oder aber: weil ihre Könige ungerecht waren und ihnen Kriege aufzwangen, sagt er: "Vertraut mir, ich bin nicht so, sondern sanftmütig und mild." Das zeigt er bereits durch den Esel an, denn nicht mit einem Heer zog er ein, sondern allein mit einem Esel.
Und sieh auch die Wahrheitsliebe des Evangelisten: er hat keine Angst, von seiner früheren Unwissenheit zu erzählen, wenn folgt: "Das alles verstanden seine Jünger zunächst nicht ..." (Chrysostomus, Hom 66,1)

16 Das alles verstanden seine Jünger zunächst nicht; als Jesus aber verherrlicht war, da wurde ihnen bewußt, daß es so über ihn in der Schrift stand und daß man so an ihm gehandelt hatte.

Das heißt: als er ihnen die Macht seiner Auferstehung zeigte, "da erinnerten sie sich, daß das über ihn in der Schrift stand und daß man das an ihm getan hatte", d. h. [man tat an ihm] nichts anderes als das, was über ihn in der Schrift stand. (Augustinus, Tr. 51)

Damals wußten sie es nicht, denn er hatte es ihnen [noch nicht] offenbart, und sie hätten auch Anstoß ihm genommen, wenn er in seiner königlichen Würde solches erlitten hätte. Außerdem hätten sie nicht verstanden, von welchem Reich er sprach, und sie hätten geglaubt, er rede von einer irdischen Herrschaft.Lat.: regnum temporale - Wörtlich: eine zeitliche Herrschaft (Chrysostomus, Hom. 56,1)

 
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Messe
Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mk 14,1 - 15,47
 
Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus
 
Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus nach Markus
 
1 Es war zwei Tage vor dem Pascha und dem Fest der Ungesäuerten Brote. Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten suchten nach einer Möglichkeit, Jesus mit List in ihre Gewalt zu bringen, um ihn zu töten.

Pascha, hebräisch: PesachLat.: phase kommt nicht von "passio" oder "paschein", d.h. "Leiden", sondern von "Vorübergang"; denn der Engel des Todes ging an den Türen der Israeliten vorüber, als er an diesen das Blut sah, und er schlug sie nicht. Oder: der Herr selbst ging an seinem Volk vorüber und brachte ihm Hilfe. (Beda)

2 Sie sagten aber: Ja nicht am Fest, damit es im Volk keinen Aufruhr gibt.

Christus selbst setzte die Zeit seines Leidens fest: Er wollte am Pascha-Fest gekreuzigt werden; denn er war das wahre Pascha-Lamm. (Theophylactus)

3 Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen bei Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goß das Öl über sein Haar.

Obwohl die vier Evangelisten jeweils von einer Salbung durch eine Frau erzählen, so handelt es sich doch nicht um eine einzige, sondern um zwei. Die eine Frau war die Schwester des Lazarus, von der Johannes schreibt; sie salbte sechs Tage vor dem Pascha die Füße Jesu. Die andere Salbung wird von den übrigen Evangelisten beschrieben. Wenn du aber genau hinschaust, sind es drei Frauen: die eine, die Johannes erwähnt, eine zweite, von der Lukas spricht, und eine, von der die übrigen beiden Evangelisten erzählen. Die Frau, von der Lukas spricht, soll eine Dirne gewesen sein, die in der Mitte des öffentlichen Auftretens Jesu zu ihm gekommen ist. Die Frau, die Markus und Matthäus erwähnen, kam zur Zeit der herannahenden Passion und bekannte sich nicht als Sünderin. (Theophylactus)

Alabaster ist eine Art weiß-glänzender Marmor, mit verschiedenen Farben durchzogen. Daraus stellt man hohle Salbgefäße her, denn darin halten sich Spezereien ganz ausgezeichnet, wie man sagt. Die Narde ist ein aromatisches Gewächs, wie es heißt, mit einer großen dicken Wurzel, die aber kurz, schwärzlich und leicht zu brechen ist. Obwohl fett, riecht die Narde wie Zypresse, mit herbem Geschmack; sie hat kleine kompakte Blätter, und ihr Wipfel verzweigt sich in Rispen. Die Gewürzhändler loben die Narde wegen ihrer "Ähren" und Blätter. Darum schreibt Markus von "echtem, kostbarem Nardenöl"; denn das Salböl, mit dem Maria den Herrn salbte, war nicht bloß aus der Wurzel, sondern auch aus den noch kostbareren Blättern und Rispen gewonnen ... (Beda)

4 Einige aber wurden unwillig und sagten zueinander: Wozu diese Verschwendung?
5 Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können. Und sie machten der Frau heftige Vorwürfe.

Damit scheint gemeint zu sein, daß mehrere Jünger die Frau beschuldigten, weil sie oft und oft gehört hatten, wie Jesus das Almosengeben lehrte. Judas aber ärgerte sich nicht aus diesem Grund, sondern aus Liebe zum Geld und zum schnöden Gewinn. Daher nennt der Evangelist Johannes auch nur ihn allein mit Namen, als jemanden, der die Frau aus unlauteren Absichten heraus beschuldigte. (Theophylactus)

Es tat ihnen leid um das Öl, das man hätte teuer verkaufen und den Erlös den Armen geben können; und doch sollte das nicht geschehen; denn es war sehr angemessen, daß Christi Haupt mit dieser heiligen und würdigen Salbung geehrt werde. Darum folgt: "Sie hat ein gutes Werk an mir getan". (Origenes)

6 Jesus aber sagte: Hört auf! Warum laßt ihr sie nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
7 Denn die Armen habt ihr immer bei euch, und ihr könnt ihnen Gutes tun, so oft ihr wollt; mich aber habt ihr nicht immer.
8 Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat im voraus meinen Leib für das Begräbnis gesalbt.

"Sie hat im voraus meinen Leib gesalbt", zum Zeichen, daß er begraben werden wird. Mit diesen Worten beschämt der Herr seinen Verräter, als wolle er sagen: "Wie kannst du bei dem Zustand deines Gewissens diese Frau tadeln, die meinen Leib im Hinblick auf mein Begräbnis salbt, während du dich selbst nicht tadelst, da du mich in den Tod überlieferst?" Damit spricht der Herr auch zwei Prophezeiungen aus: Daß das Evangelium in der ganzen Welt verkündet werden wird, und daß die Tat dieser Frau gepriesen werden wird. (Theophylactus)

9 Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat.
10 Judas Iskariot, einer der Zwölf, ging zu den Hohenpriestern. Er wollte Jesus an sie ausliefern.

"Einer von den Zwölf": Damit wird die Verwerflichkeit des Verrats noch deutlicher. Es gab ja noch die zweiundsiebzig anderen Jünger, die nicht in der gleichen Nähe zum Herrn standen, zu ihm nicht das Vertrauensverhältnis besaßen wie die Zwölf. Die Zwölf aber waren erprobt. [...] (Chrysostomus)

"Ihn zu verraten": das heißt, ihnen anzuzeigen, wann er allein sei. Denn wegen des Volkes fürchteten sie, ihn anzugreifen, während er predigte. (Theophylactus)

11 Als sie das hörten, freuten sie sich und versprachen, ihm Geld dafür zu geben. Von da an suchte er nach einer günstigen Gelegenheit, ihn auszuliefern.

Was für eine Verblendung des Verstandes, was für eine Gier des Verräters! Die üble Gier hat alles Böse hervorgebracht: die Gier hält die Seelen gefangen, schnürt sie mit Fesseln ein, läßt sie Dinge vergessen, entfremdet offenkundig den Geist sich selbst. Judas wurde von dieser krankhaften Gier eingefangen, er vergaß das gemeinsame Lebens mit Christus, die Tischgemeinschaft, die Jüngerschaft, die Ermahnung und den guten Rates. (Chrysostomus)

Heute gibt es viele, die das Verbrechen des Judas - daß er seinen Herrn und Gott um Geld verkaufte - als einen entsetzlichen Frevel betrachten, ohne sich jedoch selbst davor in Acht zu nehmen. Denn wenn jemand wegen Geschenken das Recht der Liebe und der Wahrheit beiseite schiebt, dann verrät er Gott, der die Wahrheit und die Liebe ist. (Beda)

12 Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote, an dem man das Paschalamm schlachtete, sagten die Jünger zu Jesus: Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten?

Den vierzehnten Tag des ersten Monats nannte man den ersten Tag der ungesäuerten Brote, da wurde das Gesäuerte weggeschafft und gegen Abend das Pascha-Lamm geopfert, d.h. geschlachtet. Paulus legt dies im 1. Korintherbrief aus (5,7): "Unser Paschalamm ist geopfert, Christus". Denn Christus wurde am folgenden Tag, dem 15. Tag des Monats, gekreuzigt; doch in der Nacht, in der das Paschalamm geopfert wurde, setzte er die Geheimnisse seines Leibes und Blutes ein, und in dieser Nacht wurde er verhaftet und gefesselt: so wurde diese Nacht der heilige Anfang seines Leidens, seiner Opferung. (Beda)

13 Da schickte er zwei seiner Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in die Stadt; dort wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm,
14 bis er in ein Haus hineingeht; dann sagt zu dem Herrn des Hauses: Der Meister läßt dich fragen: Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann?
15 Und der Hausherr wird euch einen großen Raum im Obergeschoß zeigen, der schon für das Festmahl hergerichtet und mit Polstern ausgestattet ist. Dort bereitet alles für uns vor!

Er schickte zwei seiner Jünger - nach Lukas waren es Petrus und Johannes - zu einem völlig unbekannten Menschen. Das sollte ein Hinweis sein, daß der Herr auch die Möglichkeit gehabt hätte, nicht zu leiden. Denn wenn er einen Unbekannten dazu bewegen konnte, sie aufzunehmen, was hätte er nicht an anderen wirken können? (Theophylactus)

16 Die Jünger machten sich auf den Weg und kamen in die Stadt. Sie fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Paschamahl vor.

Nicht unser Ostermahl, sondern dasjenige, das in der Zwischenzeit nur mehr das der Juden ist. Denn unser Ostermahl hat er nicht nur eingesetzt, sondern er ist es selbst geworden. Warum aber hat er das Paschamahl gegessen? Weil er dem Gesetz unterstellt ward, "um die zu erlösen, die unter dem Gesetz standen" (Gal 4,5), und damit er in eigener Person das Gesetz zur Ruhe brächte. Niemand sollte sagen können, er habe es aufgehoben, weil er es wegen der damit verbundenen beschwerlichen Last nicht habe erfüllen können. So hat er es zuerst erfüllt, und es dadurch außer Kraft gesetzt.Lat.: fecit requiescere - er ließ es ruhen (Chrysostomus)

17 Als es Abend wurde, kam Jesus mit den Zwölf.
18 Während sie nun bei Tisch waren und aßen, sagte er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern, einer von denen, die zusammen mit mir essen.
19 Da wurden sie traurig, und einer nach dem andern fragte ihn: Doch nicht etwa ich?
20 Er sagte zu ihnen: Einer von euch Zwölf, der mit mir aus derselben Schüssel ißt.
21 Der Menschensohn muß zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.

Der Herr hatte sein Leiden angekündigt, und auch über seinen Verräter sagt er etwas voraus, um ihm die Gelegenheit zur Umkehr zu geben. Er sollte Reue empfinden, wenn er seine Gedanken als durchschaut erkannte. (Beda)

Der Herr machte also den Verräter nicht öffentlich bekannt, damit dieser nicht alle Scham verliere; er überging ihn aber auch nicht völlig mit Schweigen, damit er nicht in der sicheren Annahme seiner Verborgenheit noch frecher zum Verrat schreite. (Chrysostomus)

Judas aber reagierte weder auf die erste noch auf die zweite Warnung und hielt seinen Fuß nicht vom Weg des Verrates zurück. So wird ihm die Strafe angekündigt, damit ihn die Drohung auf den rechten Weg bringe, nachdem die Beschämung dies nicht vermocht hatte. (Hieronymus)

Wenn er nicht ein Verräter geworden wäre, wäre es im Hinblick auf sein [Lebens-]Ziel freilich besser für ihn gewesen, [geboren] zu sein; denn Gott hatte ihn erschaffen, damit er gute Werke vollbringe. Nachdem er aber einen solchen Grad an Schlechtigkeit erreicht hatte, wäre es für ihn besser gewesen , nicht geboren worden zu sein. (Theophylactus)

22 Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib.

Nach Abschluß der Feier des alten Pascha geht der Herr über zur Feier des neuen: an Stelle des Fleisches und Blutes des Lammes sollte das Sakrament seines Leibes und Blutes treten. Er nahm Brot in seine Hände, um damit zu zeigen, daß er es sei, dem Gott geschworen hat: "Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedek" (Ps 110,4). (Beda)

Er segnete es und brach es: Das heißt, er sagte Dank und brach es. Eben das tun auch wir, wenn wir Gebete hinzufügen. (Theophylactus)

"Das ist mein Leib": Das, was ich euch jetzt gebe; das, was ihr jetzt nehmt. Das Brot ist nicht nur ein Bild des Leibes Christi, sondern wird in seinen eigenen Leib verwandelt. Denn der Her spricht (Joh 6,51): Das Brot, das ich geben werde , ist mein Fleisch. Doch ist es nicht als Fleisch Christi sichtbar, wegen unserer Schwäche, sondern Brot und Wein, wie wir es ertragen können. Denn wenn wir Fleisch und Blut sähen, könnten wir es nicht über uns bringen, es zu essen. Der Herr neigte sich also zu unserer Schwäche, er läßt die Gestalten von Brot und Wein bestehen, verwandelt aber Brot und Wein in sein wahres Fleisch und Blut. (Theophylactus)

Als die Leidenszeit für ihn herannahte, nahm er das Brot und sagte Dank. Er sagte Dank, obwohl er die Schläge für fremdes Verschulden auf sich nahm. Er, der nichts getan hatte, was Schläge verdient hätte, sagt voll Demut Dank in seinem Leiden. Er will uns damit lehren, wie wir uns verhalten sollen, wenn wir wegen unserer Schuld geschlagen werden, wenn er die Züchtigung wegen fremder Schuld ohne Zorn ertrug; und wie wir als Diener Gottes uns verhalten sollen, wenn wir zurechtgewiesen werden, wenn er inmitten der Schläge dem Vater Dank sagt, er, der gleichwesentliche Sohn. (Gregor der Große)

23 Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus.
24 Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.

Weil wir in Christus und Christus in uns bleiben soll, darum wird Wasser dem Kelch des Herrn beigemischt. Das Wasser bezeichnet das Volk. Man bringt weder Wasser allein, noch Wein allein dar; denn die Opfergabe soll nicht etwa eine Trennung von Haupt und Leib bezeichnen: So als ob Christus hätte leiden können ohne Liebe zu unserer Erlösung, oder als ob wir hätten gerettet oder Gott dargebracht werden können ohne die Passion Christi. (Beda)

O selige Trunkenheit, heilbringende Sättigung! Je reichlicher hier aufgenommen wird, desto mehr wird dem Empfänger die Nüchternheit des Geistes geschenkt. (Hieronymus)

Sie tranken alle daraus: Manche sagen, Judas habe an den Geheimnissen keinen Anteil gehabt, sondern sei hinausgegangen, bevor der Herr die Mysterien austeilte. Andere aber sagen, daß der Herr ihm davon gegeben habe. (Theophylactus)

Christus bot sein Blut auch dem, der ihn verkaufte, damit er die Vergebung der Sünden empfange, wenn er nur aufhören wollte, böse zu sein.
Möge am Tisch des Herrn kein Judas sitzen! Dieses Opfer ist eine geistliche Speise. Es geht hier wie bei der körperlichen Nahrung: Wenn eine Speise in den Magen kommt, der von entgegengesetzten Säften voll ist, dann macht sie ihn noch kränker. Wenn die geistliche Speise einen Menschen besudelt von Bosheit antrifft, dann nimmt seine Verderbnis noch zu. Das liegt nicht an der Speise, sondern an der Verdorbenheit des Empfängers. Es sei also der Geist, das Denken in allen Dingen rein; denn dies ist ein reines Opfer. (Chrysostomus)

25 Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes.

Das soll heißen: Ich werde vom Wein nicht mehr trinken bis zur Auferstehung. "Reich" nennt er die Auferstehung, denn da wird er die Herrschaft über den Tod errungen haben. Nach der Auferstehung trank und aß er mit den Jüngern, um ihnen zu zeigen, daß er derselbe war, der gelitten hatte. "Aufs neue" trank er ihn, weil er ihn auf neue, fremde Art und Weise trank: denn er hatte keinen Leib mehr, der dem Leiden unterworfen oder der Speise bedürftig gewesen wäre, sondern einen unsterblichen Leib. (Theophylactus)

26 Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus.

Auch hier zeigt er wieder, daß er den Tod um unseretwillen umarmte: Unmittelbar vor der Auslieferung lobte er Gott. Er lehrt auch uns damit, nicht niedergedrückt zu sein, sondern Gott Dank zu sagen, wenn wir um des Heiles der Vielen willen in Bedrängnis geraten, weil Gott durch unsere Bedrängnis in vielen das Heil wirken will. (Theophylactus)

Treffend auch, daß der Herr die Jünger, die das Sakrament zu sich genommen hatten, auf den Ölberg hinausführt, dadurch bezeichnet er bildlich, daß wir durch den Empfang der Sakramente zu höheren Tugenden und Gnadengaben des Heiligen Geistes, durch die wir im Herzen gesalbt werden, aufsteigen müssen. (Beda)

Jesus wurde auf dem Ölberg verhaftet, also dort, wo er [später] zum Himmel aufstieg. Uns soll das sagen, daß wir von dort zum Himmel aufsteigen, wo wir wachen und beten; dort werden wir auch gebunden, aber auf der Erde widersetzen wir uns nicht. (Pseudo-Hieronymus)

27 Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet alle (an mir) Anstoß nehmen und zu Fall kommen; denn in der Schrift steht: Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe zerstreuen.

Der Herr sagt seinen Jüngern voraus, was sie mitmachen würden. Sie sollten im Leiden nicht die verzweifeln, sondern Buße tun und dadurch befreit werden. (Beda)

Der Herr ließ zu, daß sie zu Fall kamen, damit sie nicht auf sich selbst vertrauen sollten. (Theophylactus)

28 Aber nach meiner Auferstehung werde ich euch nach Galiläa vorausgehen.
29 Da sagte Petrus zu ihm: Auch wenn alle (an dir) Anstoß nehmen - ich nicht!
30 Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Noch heute nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
31 Petrus aber beteuerte: Und wenn ich mit dir sterben müßte - ich werde dich nie verleugnen. Das gleiche sagten auch alle anderen.

Petrus leugnete einmal, dann krähte der Hahn. Dann leugnete er noch zweimal, bis der Hahn das zweite Mal krähte. (Theophylactus)

32 Sie kamen zu einem Grundstück, das Getsemani heißt, und er sagte zu seinen Jüngern: Setzt euch und wartet hier, während ich bete.
33 Und er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Da ergriff ihn Furcht und Angst,

Es war dem Herrn in einzigartiger Weise eigen, immer zu beten, und er wollte uns damit ein Beispiel geben, das Schweigen und die Einsamkeit im Gebet zu suchen.
Er nahm Petrus und Jakobus und Johannes mit sich. Diese drei, weil sie auf dem Berg Tabor auch seine Herrlichkeit gesehen hatten; nun sollten sie die Traurigkeit sehen, und begreifen, daß er in seiner Betrübnis wahrer Mensch war. Er hatte den ganzen Menschen angenommen, so hatte er auch alles angenommen, was dem Menschen eigen ist: die Angst, das Grauen und die Traurigkeit; denn von Natur aus geht kein Mensch freudig in den Tod. (Theophylactus)

34 und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht!
35 Und er ging ein Stück weiter, warf sich auf die Erde nieder und betete, daß die Stunde, wenn möglich, an ihm vorübergehe.
36 Er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst (soll geschehen).
[...]

Abba, Vater, alles ist dir möglich. Damit gibt er zu erkennen, daß der Satz: "Wenn es möglich ist [...]," (Mt 26,39) nicht hinsichtlich der Macht oder Ohnmacht des Vaters gemeint ist, sondern bezogen auf seinen Willen. (Augustinus)

Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst ...: Als wollte er sagen: "Wenn es möglich ist, daß der Tod stirbt, ohne daß ich dem Fleisch nach sterben muß, dann gehe dieser Kelch vorüber; wenn es aber nicht anders sein, dann geschehe nicht mein, sondern dein Wille." Auch heute noch sind viele Menschen voll Trauer über den auf sie zukommenden Tod, doch sollen sie ein aufrechtes Herz haben und den Tod meiden, so gut es geht. Und wenn sie ihn nicht mehr vermeiden können, sollen sie sprechen, wie der Herr um unseretwillen gesprochen hat. (Beda)

37 Und er ging zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Simon, du schläfst? Konntest du nicht einmal eine Stunde wach bleiben?

Als der Herr nach dem Gebet zurückkehrte, fand er die Jünger schlafend; aber nur den Petrus weist er zurecht, als wollte er sagen: "Du konntest nicht einmal eine Stunde mit mir wachen, und bildest dir ein, den Tod nicht zu scheuen, da du doch versprochen hast, mit mir zu sterben!" (Hieronymus)

38 Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

Er sagt nicht: "Betet, damit ihr nicht versucht werdet." Denn es ist unmöglich, daß die menschliche Seele nicht versucht werde. Sondern er sagt: "Daß ihr nicht in Versuchung geratet", das heißt: "daß euch die Versuchung nicht überwältigt." (Beda)

In Versuchung geraten, in sie eintreten, das tut der, welcher das Gebet aufgibt. (Hieronymus)

39 Und er ging wieder weg und betete mit den gleichen Worten.
40 Als er zurückkam, fand er sie wieder schlafend, denn die Augen waren ihnen zugefallen; und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten.
41 Und er kam zum drittenmal und sagte zu ihnen: Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus? Es ist genug. Die Stunde ist gekommen; jetzt wird der Menschensohn den Sündern ausgeliefert.
42 Steht auf, wir wollen gehen! Seht, der Verräter, der mich ausliefert, ist da.
43 Noch während er redete, kam Judas, einer der Zwölf, mit einer Schar von Männern, die mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet waren; sie waren von den Hohenpriestern, den Schriftgelehrten und den Ältesten geschickt worden.

Mit Schwertern und Knüppeln: Auf die Stärke der Welt verläßt sich, wer an der Hilfe Gottes verzweifelt. (Pseudo-Hieronymus)

44 Der Verräter hatte mit ihnen ein Zeichen vereinbart und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist es. Nehmt ihn fest, führt ihn ab, und laßt ihn nicht entkommen.
45 Und als er kam, ging er sogleich auf Jesus zu und sagte: Rabbi! Und er küßte ihn.

[...] Der Herr nahm den Kuß des Verräters entgegen, nicht um uns die Heuchelei zu empfehlen, sondern um zu zeigen, daß er den Verräter nicht mied. Er erfüllte, was im Psalm 120 [,7 (Vg)] steht: "Mit denen, die den Frieden hassen, war ich friedfertig." (Beda)

46 Da ergriffen sie ihn und nahmen ihn fest.
47 Einer von denen, die dabeistanden, zog das Schwert, schlug auf den Diener des Hohenpriesters ein und hieb ihm ein Ohr ab.
48 Da sagte Jesus zu ihnen: Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen, um mich festzunehmen.

Als wollte er sagen, es ist doch Torheit, mit Schwertern und Fackeln einen zu suchen, der sich freiwillig in eure Hände gegeben hat. Torheit, einen bei Nacht und mittels eines Verräters zu suchen, als habe er sich versteckt, der doch täglich im Tempel lehrte. (Beda)

49 Tag für Tag war ich bei euch im Tempel und lehrte, und ihr habt mich nicht verhaftet; aber (das ist geschehen), damit die Schrift in Erfüllung geht.
50 Da verließen ihn alle und flohen.
51 Ein junger Mann aber, der nur mit einem leinenen Tuch bekleidet war, wollte ihm nachgehen. Da packten sie ihn;
52 er aber ließ das Tuch fallen und lief nackt davon.

Es handelte sich wahrscheinlich um einen jungen Mann aus dem Haus, in dem das Pascha gefeiert worden war. Manche sagen aber auch, es sei Jakobus, der Herrenbruder, mit dem Beinamen Justus gewesen, der nach der Himmelfahrt des Herrn den Stuhl der Gemeinde von Jerusalem innehatte. (Theophylactus)

Es könnte auch sein, daß hier von Johannes die Rede ist. Er kehrte, nachdem er zuerst voll Schrecken geflohen war, zum Kreuz zurück, um die Worte des Erlösers zu hören. Denn daß er damals wirklich noch ein sehr junger Mann war, zeigt sein langes irdisches Leben. (Gregor der Große)

53 Darauf führten sie Jesus zum Hohenpriester, und es versammelten sich alle Hohenpriester und Ältesten und Schriftgelehrten.
54 Petrus aber war Jesus von weitem bis in den Hof des hohepriesterlichen Palastes gefolgt; nun saß er dort bei den Dienern und wärmte sich am Feuer.
55 Die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat bemühten sich um Zeugenaussagen gegen Jesus, um ihn zum Tod verurteilen zu können; sie fanden aber nichts.

Zum Hohenpriester: Damit ist Kajaphas gemeint, der nach Johannes "der Hohepriester jenes Jahres" (Joh 11,49.51) war, und von dem Josephus schreibt, daß er von der Römischen Regierung das Hohepriester-Amt käuflich erworben hatte. (Beda)

Zwar schreibt das Gesetz vor, daß es nur einen Hohenpriester gebe, doch folgten damals viele aufeinander, die jedes Jahr durch den Statthalter der Römer ein- bzw. abgesetzt wurden.
"Hohepriester" in der Mehrzahl heißen also diejenigen, die ihre Amtszeit schon hinter sich hatten. Sie bewerkstelligten einen Schein-Prozeß, bei dem das Urteil schon feststand, doch verlangten sie nach Zeugenaussagen, um den Anschein zu wahren, Jesus werde gerecht verurteilt und hingerichtet. (Theophylactus)

56 Viele machten zwar falsche Aussagen über ihn, aber die Aussagen stimmten nicht überein.
57 Einige der falschen Zeugen, die gegen ihn auftraten, behaupteten:
58 Wir haben ihn sagen hören: Ich werde diesen von Menschen erbauten Tempel niederreißen und in drei Tagen einen anderen errichten, der nicht von Menschenhand gemacht ist.

Er hat nicht gesagt: "Ich werde niederreißen," sondern: "Reißt nieder", und nicht: "den von Menschenhand gemachten Tempel," sondern einfach: "den Tempel". (Theophylactus)

Ein falscher Zeuge ist einer, der das Gesprochene in einem Sinn verstehen will, wie es nicht gesagt worden ist. (Hieronymus)

59 Aber auch in diesem Fall stimmten die Aussagen nicht überein.
60 Da stand der Hohepriester auf, trat in die Mitte und fragte Jesus: Willst du denn nichts sagen zu dem, was diese Leute gegen dich vorbringen?
61 Er aber schwieg und gab keine Antwort. Da wandte sich der Hohepriester nochmals an ihn und fragte: Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?

Je mehr Jesus schwieg, da die falschen Zeugen und ungerechten Priester seiner Antwort unwürdig waren, desto mehr geriet der Hohepriester in Wut. Er wollte ihn um jeden Preis zu einer Antwort herausfordern, um einen Anlaß für die Anklage zu haben. (Beda)

Das Schweigen Christi machte die Verteidigung Adams, sein Bemühen sich zu entschuldigen,Vgl. Gen 3,9-13 wieder gut. (Hieronymus)

Er schwieg, weil er wußte, daß sie auf seine Worte nichts geben würden. Daher berichtet Lukas folgende Antwort: "Wenn ich es euch sage, werdet ihr mir nicht glauben" (Lk 22,67). Da fragte ihn der Hohepriester: "Bist du der Christus, der Sohn Gottes des Gepriesenen?" Der Hohepriester fragte ihn nicht, um die Wahrheit zu erfahren und zum Glauben zu kommen, sondern um dies als Gelegenheit zu benützen, seiner habhaft zu werden. Er fragte also: "Bist du der Christus, der Sohn Gottes, des Gepriesenen?" Es gab ja viele "christoi", das heißt Gesalbte, Könige und Hohepriester; doch keiner von ihnen wurde "Sohn Gottes, des immerwährend Gelobten" genannt. (Theophylactus)

62 Jesus sagte: Ich bin es. Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen.

Da antwortete Jesus: "Ich bin es." Damit sie keine Entschuldigung hätten. (Hieronymus)

Er will sagen: "Ihr werdet mich als Menschensohn zur Rechten des Vaters sitzen sehen." Den Vater bezeichnet er hier nämlich als "die Macht". Er wird nicht ohne seinen Leib wiederkommen, sondern so wie er [damals] seinen Kreuzigern erschien, so wird er ihnen beim Gericht erscheinen. (Theophylactus)

In der Wolke wird er zum Himmel emporsteigen, mit den Wolken des Himmels wird er wiederkommen. Das heißt: allein mit seinem Leib, den er aus der Jungfrau angenommen hatte, stieg er empor, mit der vielgestaltigen Kirche, die sein Leib, die Vollgestalt seines Leibes ist, wird er wiederkommen zum Gericht. (Hieronymus)

63 Da zerriß der Hohepriester sein Gewand und rief: Wozu brauchen wir noch Zeugen?

Um noch mehr Haß und Abscheu gegen diese Antwort des Herrn zu erregen, zerriß der Hohepriester sein Gewand. Er wußte nicht, was diese Wahnsinnstat bedeutet: daß er sich der hohepriesterlichen Würde entkleidete. Er hatte vergessen, was vorgeschrieben ist für den Hohenpriester: "Er soll den Turban von seinem Haupt nicht abnehmen, und er soll seine Kleider nicht zerreißen" (Lev 21,10). (Leo der Große)

Der Hohepriester folgt hier einem Brauch der Juden: Wenn ihnen etwas unerträglich erschien oder etwas sehr Trauriges begegnete, dann zerrissen sie ihre Kleider. Er wollte also zeigen, daß Christus eine unerträgliche Lästerung ausgesprochen hatte. (Theophylactus)

64 Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was ist eure Meinung? Und sie fällten einstimmig das Urteil: Er ist schuldig und muß sterben.
65 Und einige spuckten ihn an, verhüllten sein Gesicht, schlugen ihn und riefen: Zeig, daß du ein Prophet bist! Auch die Diener schlugen ihn ins Gesicht.
66 Als Petrus unten im Hof war, kam eine von den Mägden des Hohenpriesters.
67 Sie sah, wie Petrus sich wärmte, blickte ihn an und sagte: Auch du warst mit diesem Jesus aus Nazaret zusammen.
68 Doch er leugnete es und sagte: Ich weiß nicht und verstehe nicht, wovon du redest. Dann ging er in den Vorhof hinaus.

Der Herr ließ es zu, daß Petrus das widerfuhr, damit er hochmütig wird und damit er sich den Sündern gegenüber barmherzig zeige, weil er an sich selbst die Folgen der menschlichen Schwäche erfahren hat. (Theophylactus)

69 Als die Magd ihn dort bemerkte, sagte sie zu denen, die dabeistanden, noch einmal: Der gehört zu ihnen.
70 Er aber leugnete es wieder ab. Wenig später sagten die Leute, die dort standen, von neuem zu Petrus: Du gehörst wirklich zu ihnen; du bist doch auch ein Galiläer.
71 Da fing er an zu fluchen und schwor: Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet.

Wie schädlich ist der Einfluß schlechter Menschen!Lat.: consilium pravorum - der Rat der Schlechten (vgl. Ps 1,1) Unter den Ungläubigen wollte er den Menschen nicht mehr kennen, den er unter den Jüngern als Gott bekannt hatte (Mt 16,16). Die Heilige Schrift zeigt oft die Bedeutung einer Sache durch die Tageszeit an: um Mitternacht verleugnet Petrus [den Herrn], beim Hahnenschrei bereut er. (Beda)

72 Gleich darauf krähte der Hahn zum zweitenmal, und Petrus erinnerte sich, daß Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er begann zu weinen.

Durch die Verleugnung des Petrus werden wir belehrt, daß Christus nicht nur von dem verleugnet wird, der behauptet, er sei nicht der Messias, sondern auch von demjenigen, der, obwohl er mit ihm zusammen ist, abstreitet, Christ zu sein. Denn der Herr sagt nicht zu Petrus: "Du wirst leugnen, mein Jünger zu sein", sondern: "Du wirst mich verleugnen". Es verleugnet also Christus, wer leugnet, sein Jünger zu sein. (Beda)

Seine Reuetränen haben Petrus zu Christus zurückgeführt. Das widerlegt zu ihrer Schande die Novatianer, welche behaupten, jemand, der nach der Taufe gesündigt habe, könne nicht wieder aufgenommen und ihm seine Schuld nachgelassen werden. Siehe, Petrus, der Christi Leib und Blut empfangen hatte, wurde durch die Buße wieder aufgenommen. Das Versagen der Heiligen wurde ja deswegen aufgezeichnet, damit wir uns zu ihrem Beispiel flüchten können, wenn wir durch Unvorsichtigkeit gefallen sind, und Hoffnung schöpfen, durch Reue und Buße wieder Aufnahme zu finden. (Theophylactus)

1 Gleich in der Frühe faßten die Hohenpriester, die Ältesten und die Schriftgelehrten, also der ganze Hohe Rat, über Jesus einen Beschluß: Sie ließen ihn fesseln und abführen und lieferten ihn Pilatus aus.
2 Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er antwortete ihm: Du sagst es.

Er antwortete so, daß er die Wahrheit sagte, doch wollte er keinen Anlaß geben, daß man ihm dieses Wort verüble. (Beda)

Diese Antwort ist doppeldeutig. Man kann das Wort nämlich auch so verstehen: "Das sagst du, ich sage es nicht." Beachte aber, daß er dem Pilatus, der ihn nur ungern verurteilen wollte, teilweise eine Antwort gab, während er den Hohenpriestern und Führern des Volkes nicht antworten wollte; denn sie waren seines Wortes unwürdig. (Theophylactus)

3 Die Hohenpriester brachten viele Anklagen gegen ihn vor.
4 Da wandte sich Pilatus wieder an ihn und fragte: Willst du denn nichts dazu sagen? Sieh doch, wie viele Anklagen sie gegen dich vorbringen.
5 Jesus aber gab keine Antwort mehr, so daß Pilatus sich wunderte.
6 Jeweils zum Fest ließ Pilatus einen Gefangenen frei, den sie sich ausbitten durften.
7 Damals saß gerade ein Mann namens Barabbas im Gefängnis, zusammen mit anderen Aufrührern, die bei einem Aufstand einen Mord begangen hatten.
8 Die Volksmenge zog (zu Pilatus) hinauf und bat, ihnen die gleiche Gunst zu gewähren wie sonst.
9 Pilatus fragte sie: Wollt ihr, daß ich den König der Juden freilasse?
10 Er merkte nämlich, daß die Hohenpriester nur aus Neid Jesus an ihn ausgeliefert hatten.
11 Die Hohenpriester aber wiegelten die Menge auf, lieber die Freilassung des Barabbas zu fordern.
12 Pilatus wandte sich von neuem an sie und fragte: Was soll ich dann mit dem tun, den ihr den König der Juden nennt?
13 Da schrien sie: Kreuzige ihn!
14 Pilatus entgegnete: Was hat er denn für ein Verbrechen begangen? Sie schrien noch lauter: Kreuzige ihn!
15 Darauf ließ Pilatus, um die Menge zufriedenzustellen, Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.

Viele Gelegenheiten eröffnete ihnen Pilatus, Jesus freizugeben; zuerst, indem er den Gerechten mit einem Räuber zusammen vorstellte. [...] Doch als sie die Wahl hatten, zogen sie den Räuber Jesus vor, den Mörder dem Erlöser [...] Da gab ihnen Pilatus eine zweite Gelegenheit, indem er fragte: Was wollt ihr, daß ich mit ihm tue? Sie aber schrien: Kreuzige ihn! [...] Da fragte er sie: Was hat er denn getan? Sie aber ließen ihrer wahnsinnigen Wut freien Lauf und antworteten dem Statthalter nicht einmal auf seine Frage. (Beda)

16 Die Soldaten führten ihn in den Palast hinein, das heißt in das Prätorium, und riefen die ganze Kohorte zusammen.
17 Dann legten sie ihm einen Purpurmantel um und flochten einen Dornenkranz; den setzten sie ihm auf
18 und grüßten ihn: Heil dir, König der Juden!
19 Sie schlugen ihm mit einem Stock auf den Kopf und spuckten ihn an, knieten vor ihm nieder und huldigten ihm.
20 Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Purpurmantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an.

Da er König der Juden genannt worden war, und dies das Verbrechen war, das ihm die Schriftgelehrten und Hohenpriester vorwarfen - nämlich daß er sich die Herrschaft in Israel angemaßt habe, verspotteten ihn die Soldaten, indem sie ihm seine Kleider nahmen und ihn mit Purpur bekleideten, wie ihn die Könige einst getragen hatten. Als Krone gaben sie ihm eine Dornenkrone, anstelle des Szepters ein Rohr, wie Matthäus schreibt, und sie huldigten ihm. Sie erwiesen ihm zum Spott Ehrung, als einem, der sich zu Unrecht als Gott ausgegeben habe. Darum "beugten sie ihre Knie". (Beda)

Die Schmach, die man ihm antat, nahm unsere Schmach hinweg. Seine Fesseln machten uns frei. Durch die Dornenkrone auf seinem Haupt erhielten wir die Krone der Herrschaft. Durch seine Wunden sind wir geheilt (Jes 53,5). (Hieronymus)

Auch wir wollen das Purpurgewand anlegen; denn als Könige sollen wir "über Schlangen und Skorpione schreiten und die Sünde niedertreten" (Lk 10,19). Wir heißen Christen, Gesalbte, wie einst die Könige "Gesalbte" hießen. Laßt uns auch die Dornenkrone nehmen; das heißt: wir wollen eilen, gekrönt zu werden aufgrund eines zuchtvollen Lebens in Enthaltsamkeit und Reinheit. (Theophylactus)

Wer leugnet, daß Christus wahrer Gott ist, der schlägt ihn aufs Haupt. [...] Wer mit Fluchworten die Gegenwart der Gnade von sich stößt, der spuckt ihm ins Gesicht. Es gibt heute Menschen, die Christus zwar als wahren Gott im sicheren Glauben anbeten, aber durch ihre verkehrten Taten Christi Worte verachten und die Lustbarkeiten dieses Lebens seinen Verheißungen vorziehen. (Beda)

Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen.

Hier wird Abel von seinem Bruder aufs Feld hinaus geführt, damit er dort den Tod finde (Gen 4,8). Hier ist Isaak, der das Holz auf der Schulter trägt (Gen 22,6), hier Abraham mit dem Widder, der sich im Gestrüpp verfangen hat (Gen 22,13). Hier ist Joseph, der von den Garben träumte (Gen 37,6), und dessen Ärmelrock mit Blut verschmiert war (Gen 37,31f.). Hier ist Mose mit dem Stab und der Schlange, die am Holz aufgehängt war (Num 21,8f.). Hier ist die Traube, die am Holz getragen wurde (Num 13,23). Hier ist Elischa mit dem Holz, welches das ins tiefe Wasser gefallene Beil suchen sollte, das dann tatsächlich zu dem Holz schwamm (2 Kön 6,5). Das bedeutet das Menschengeschlecht, das wegen des verbotenen Holzes (des Paradiesesbaumes) in die Hölle stürzte, durch das Holz des Kreuzes Christi und durch die Taufe im Wasser aber zum Paradies schwamm. Hier ist Jonas, der vom Holz des Schiffes ins Meer geworfen und für drei Tage in den Bauch des Wales geschickt wurde (Jona 2,1). (Hieronymus)

21 Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Zyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen.

Der Evangelist sagt, welcher Söhne Vater er war, um die Glaubwürdigkeit noch stärker zu belegen. Denn dieser Mann lebte noch und war imstande, alle Ereignisse der Kreuzigung zu berichten. (Theophylactus)

Dieser Simon ist nicht aus Jerusalem, sondern aus Cyrene, einer Stadt in Libyen. Ganz richtig werden durch diese Person die Heidenvölker angedeutet, welche einst fremd oder nur Gäste im Bund Gottes gewesen waren, jetzt aber durch den Gehorsam Erben Gottes und Miterben Christi sind. (Beda)

22 Und sie brachten Jesus an einen Ort namens Golgota, das heißt übersetzt: Schädelhöhe.

Eine jüdische Überlieferung sagt, auf diesem Hügel sei der Widder für Isaak geopfert worden. (Hieronymus)

23 Dort reichten sie ihm Wein, der mit Myrrhe gewürzt war; er aber nahm ihn nicht.

Wein mit Myrrhe gemischt. Darunter soll man das gleiche verstehen was Matthäus nennt: "Wein mit Galle gemischt" (Mt 27,34). Von "Galle" spricht er wegen der Bitterkeit, und ein Wein mit Myrrhe ist sehr bitter. (Augustinus)

Der bittere Weinstock gibt bitteren Wein und tränkt damit den Herrn Jesus, damit erfüllt werde, was [im Psalm 69, 5] geschrieben steht: Sie gaben mir Galle zu essen und reichten mir Essig in meinem Durst. (Beda)

24 Dann kreuzigten sie ihn. Sie warfen das Los und verteilten seine Kleider unter sich und gaben jedem, was ihm zufiel.
25 Es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten.

[...] An dieser Stelle ist das Holz des Kreuzes ein Gleichnis für das Heil. Das erste Holz war das der Erkenntnis von Gut und Böse. Das zweite Holz ist das Holz des Lebens, und hat für uns nur eine gute Bedeutung. Die erste Hand,D.h. die Hand Adams die sich nach dem Holz ausstreckte, griff nach dem Tod; die zweite Hand dagegen findet das Leben, das verloren war. Auf diesem Holz werden wir durch das wogende Meer ins Land der Lebenden getragen. Durch sein Kreuz löste der Herr unsere Qual, durch seinen Tod tötete er unseren Tod. In der Gestalt der Schlange tötet er die Schlange. Gleicht nicht die Gestalt des Kreuzes den vier Richtungen der Welt? Der Sonnenaufgang leuchtet vom Kopfende, die Rechte hält den Norden, die Linke den Süden, der Westen liegt unter den Füßen. Daher mahnt uns der Apostel: Möchten wir doch erkennen die Höhe und Breite, die Länge und Tiefe (Eph 3,18). (Hieronymus)

26 Und eine Aufschrift (auf einer Tafel) gab seine Schuld an: Der König der Juden.

Sie schrieben den Titel in drei Sprachen: Hebräisch "Melech Ieudim", griechisch "Basileus exhomologyton", lateinisch "Rex confessorum". (Hieronymus)

27 Zusammen mit ihm kreuzigten sie zwei Räuber, den einen rechts von ihm, den andern links.

Die Wahrheit selbst wurde auf eine Ebene mit den Ungerechten gestellt: den einen nahm sie zur Rechten, den anderen ließ sie zur Linken, so wie sie es auch am Tag des Gerichtes tun wird: Ähnliche Verbrecher haben ein ganz verschiedenes Ende. Der eine geht noch vor Petrus in das Paradies ein, der andere noch vor Judas in die Hölle. Ein kurzes Bekenntnis erlangt das ewige Leben, Lästerungen bis zum Schluß finden die ewige Strafe. (Hieronymus)

29 Die Leute, die vorbeikamen, verhöhnten ihn, schüttelten den Kopf und riefen: Ach, du willst den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen?
30 Hilf dir doch selbst, und steig herab vom Kreuz!

Die Vorübergehenden lästerten und schmähten ihn als einen Aufrührer. Der Teufel aber stachelte sie zu der Aufforderung an, er solle vom Kreuz herabsteigen. Denn der Widersacher wußte, daß durch das Kreuz das Heil komme, und daher machte er sich daran, Christus erneut zu versuchen. Wenn er vom Kreuz herabstiege, konnte der Satan sicher sein, daß das nicht der wahre Sohn Gottes war, und das Heil, das durch das Kreuz kommen sollte, wäre zunichte gemacht. Doch er, der wahre Sohn Gottes, stieg nicht herab. (Theophylactus)

31 Auch die Hohenpriester und die Schriftgelehrten verhöhnten ihn und sagten zueinander: Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen.

Sogar gegen ihren Willen gaben sie Zeugnis davon, daß er andere heil gemacht hatte. (Beda)

32 Der Messias, der König von Israel! Er soll doch jetzt vom Kreuz herabsteigen, damit wir sehen und glauben. Auch die beiden Männer, die mit ihm zusammen gekreuzigt wurden, beschimpften ihn.

Wie kann das wahr sein, wenn doch nach dem Zeugnis des Lukas der eine lästerte und der andere aber diesen zurechtwies und selber Gott glaubte? Wir können das wohl so verstehen, daß Matthäus und Markus diese Szene nur kurz streiften und den Plural für den Singular setzten. (Augustinus)

Oder die beiden haben tatsächlich zu Beginn gelästert; dann aber erkannte der eine, daß Jesus unschuldig war, und hat den anderen zurechtgewiesen. (Theophylactus)

33 Als die sechste Stunde kam, brach über das ganze Land eine Finsternis herein. Sie dauerte bis zur neunten Stunde.

Wenn damals die Zeit für eine Sonnenfinsternis gewesen wäre, könnte jemand sagen, das Leiden Christ sei ein normales Ereignis gewesen. Doch es war der 14. des Monats, wo es auf natürliche Weise keine Sonnenfinsternis gibt. (Theophylactus)

34 Und in der neunten Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eloï, Eloï, lema sabachtani?, das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Es steht geschrieben, daß Adam nach seiner Sünde die Stimme des Herrn rufen hörte, der im Paradies im Nachmittagswind einherging (Gen 3,8). Zur gleichen Stunde, in der Adam durch seine Sünde der Welt den Tod brachte, vernichtete der Zweite Adam durch sein Sterben den Tod. Beachte auch, daß der Herr gekreuzigt wurde, nachdem die Sonne den Zenit überschritten hatte, daß er das Geheimnis seiner Auferstehung feierte, als die Sonne aufging.
Wundere dich nicht über die demütigen Worte, über die Klagen des Verlassenen; du wißt doch, daß er die Knechtsgestalt angenommen hat, du siehst das Ärgernis des Kreuzes. Hunger, Durst, Erschöpfung gehören nicht zum Wesen Gottes, sondern sind Leiden des Körpers. "Wozu hast du mich verlassen?" spricht die Stimme eines Wesens, das einen Körper hat. Denn es gehört zur Natur des Leibes, daß er nicht von seinem Leben getrennt werden will. Ja, der Erlöser hat diese Worte gesprochen, doch er zeigte damit in eigentlichem Sinn die Zerbrechlichkeit des Leibes. (Beda)

Dies spricht der Mensch, der an meiner Statt den Kreuzestod in Gott hinein stirbt. Wir sind verlassene Menschen, er selbst war niemals vom Vater verlassen. Höre den Evangelisten Johannes: "Ich bin nicht allein, der Vater ist bei mir" (16,32). (Theophylactus)

35 Einige von denen, die dabeistanden und es hörten, sagten: Hört, er ruft nach Elija!
36 Einer lief hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf einen Stock und gab Jesus zu trinken. Dabei sagte er: Laßt uns doch sehen, ob Elija kommt und ihn herabnimmt.
37 Jesus aber schrie laut auf. Dann hauchte er den Geist aus.

Wer über den Tod die Herrschaft hat und ihm befehlen kann, der haucht sein Leben aus als Herr, in Vollmacht. Was dieser Schrei sagte, überliefert Lukas: "Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist" (Lk 23,46). Christus wollte uns damit vor Augen stellen, daß die Seelen der Heiligen in die Hände Gottes aufsteigen. Denn vorher wurden alle Seelen in der Unterwelt festgehalten, bevor der kam, der den Gefangenen die Befreiung verkündete. (Theophylactus)

38 Da riß der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei.

Der Vorhang des Tempels zerreißt, das heißt: der Himmel öffnet sich. (Hieronymus)

Daß der Vorhang zerriß, damit zeigt Gott an, daß die Gnade des Heiligen Geistes sich vom Tempel zurückzog. Er zerriß, so daß das Allerheiligste von allen gesehen werden konnte. Auch wird damit angezeigt, daß der Tempel voll Trauer daliegen wird im Land der Juden. [...] Das Zeichen bezieht sich auch auf den beseelten Tempel, das heißt den Leib Christi; denn sein Gewand, das ist sein Fleisch, wurde in der Passion zerrissen. Und der zerrissene Vorhang bedeutet noch etwas: unser Fleisch, das der Vorhang unseres Tempels, das heißt unseres Geistes ist. Die Übermacht des Fleisches ist durch die Leiden Christi zerrissen "von oben bis unten", das heißt: von Adam bis zu den letzten Menschen. Denn Adam wurde gesund gemacht durch das Leiden Christi, sein Fleisch muß nicht mehr unter dem Fluch bleiben, es wird nicht mehr der Verwesung verfallen. Wir alle haben die Ehre der Unsterblichkeit empfangen. (Theophylactus)

39 Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.
40 Auch einige Frauen sahen von weitem zu, darunter Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und Joses, sowie Salome;
41 sie waren Jesus schon in Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient. Noch viele andere Frauen waren dabei, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren.
42 Da es Rüsttag war, der Tag vor dem Sabbat, und es schon Abend wurde,

Was auf Griechisch "Parasceve" [Rüsttag] heißt, bedeutet auf Lateinisch "Praeparatio" [Vorbereitung]. Mit diesem Wort bezeichneten jene Juden, die unter den Griechen lebten, den sechsten Tag der Woche, denn an diesem Tag bereiteten sie alles vor, was für die Sabbat-Ruhe notwendig war.
Der Mensch war am sechsten Tage erschaffen worden und der Schöpfer ruhte am siebten Tage von allen seinen Werken. Dem entsprach, wie der Erlöser, am sechsten Tag gekreuzigt, das Geheimnis der Neuschöpfung vollendete. Am Sabbat ruhte er im Grabe und erwartete den achten Tag, den Tag der Auferstehung. Auch wir müssen in dieser Weltzeit der Welt gekreuzigt werden; am siebten Tag, wenn wir gestorben sind, wird unser Leib im Grab, unsere Seele aber nach den guten Werken, die sie vollbracht, im Frieden mit dem Herrn ruhen, bis am achten Tag auch unser Leib, verklärt durch die Auferstehung, mit der Seele gemeinsam die Unsterblichkeit erlangt. [...] (Beda)

43 ging Josef von Arimathäa, ein vornehmer Ratsherr, der auch auf das Reich Gottes wartete, zu Pilatus und wagte es, um den Leichnam Jesu zu bitten.
44 Pilatus war überrascht, als er hörte, daß Jesus schon tot sei. Er ließ den Hauptmann kommen und fragte ihn, ob Jesus bereits gestorben sei.
45 Als der Hauptmann ihm das bestätigte, überließ er Josef den Leichnam.
46 Josef kaufte ein Leinentuch, nahm Jesus vom Kreuz, wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das in einen Felsen gehauen war. Dann wälzte er einen Stein vor den Eingang des Grabes.
47 Maria aus Magdala aber und Maria, die Mutter des Joses, beobachteten, wohin der Leichnam gelegt wurde.

Bei Lukas [23,49] lesen wir, daß "seine Verwandten in einiger Entfernung [vom Kreuz] standen, auch die Frauen, die ihm ... nachgefolgt waren." Die Bekannten waren nach der Abnahme seines Leibes nach Hause gegangen und allein die Frauen, die ihn inniger liebten, folgten dem Leichenzug und wollten sehen, wie er [ins Grab] gelegt wurde, damit sie ihm zur rechten Zeit ehrfürchtig ihre Gaben darbringen konnten. Heilige Frauen, d.h. demütige Seelen tun am "Rüsttag"D.h. in dieser Zeit als der Zeit der Vorbereitung auf die Wiederkunft des Herrn dasselbe, wenn sie aus brennender Liebe zum Heiland dem von seinem Leiden vorgezeichneten Weg in dieser Zeit sorgsam folgen, denn [dieser Weg] bereitet die zukünftige [ewige] Ruhe vor. Und wenn sie es [den Frauen] gleichtun können, dann sollen sie in frommem Eifer erwägen, in welchen StationenWörtlich: in welcher Ordnung/Reihenfolge sich sein Leidensweg erfüllt hat. (Beda)

 
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