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LESEJAHR A

Die Zeit im Jahreskreis

6. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 5,17-37
 
Zu den Alten ist gesagt worden - ich aber sage euch
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
 
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
17 Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.

Das sagt er aus zwei Gründen: Erstens um durch diese Worte seine Jünger aufzufordern, seinem Beispiel zu folgen; wie er selbst das ganze Gesetz erfüllte, so sollten auch sie sich bemühen, es zu befolgen. Ferner war vorauszusehen, daß die Juden ihn anklagen würden, er schaffe das Gesetz ab; um dieser Anklage zuvorzukommen, rechtfertigt er sich ihr gegenüber, damit man nicht glaube, er sei dazu gekommen, um das Gesetz lediglich zu verkünden, wie es die Propheten getan hatten. (Chrysostomus)

Christus erfüllte also die Propheten, indem er alles erfüllte, was durch sie über ihn ausgesagt worden war; das Gesetz aber erfüllte er erstens dadurch, daß er kein Gebot übertrat, und zweitens dadurch, daß er uns gerecht gemacht hat aus Glauben, was das Gesetz durch den Buchstaben nicht vollbringen konnte. (Chrysostomus)

18 Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist.

Wenn er aber sagt, daß kein einziges Strichlein oder Pünktchen vom Gesetz vergehen wird, so kann man das nur verstehen als einen starken Ausdruck für die Vollkommenheit, die an Hand von Buchstaben verdeutlicht wird; unter diesen Buchstaben ist das Iota kleiner als die übrigen, weil es durch einen einzigen Strich zustande kommt; das Pünktchen ist ein Teilchen davon auf der Spitze. Durch diese Worte zeigt er an, daß auch die kleinsten Vorschriften des Gesetzes zu befolgen sind. (Augustinus)

19 Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.

Denn er sagte das nicht für die alten Gebote, sondern für die, die er selbst vorschreiben wollte; er nennt diese freilich die kleinsten, obwohl sie groß sind; wie er an vielen Stellen über sich demütig spricht, so redet er ebenso über seine Gebote. (Chrysostomus)

Oder man muß unter dem Himmelreich die Kirche verstehen, in der ein Lehrer, der das Gebot übertritt, der Geringste genannt wird; denn wessen Lebenswandel verachtet wird, dessen Predigt wird folglich auch gering geschätzt. (Gregor der Große)

20 Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

Mit Gerechtigkeit meint er hier die Tugend im Allgemeinen. Achte aber auf die Hinzufügung der Gnade! Er will nämlich, daß seine Schüler, die bisher noch ungebildet sind, besser werden als es die Lehrer im Alten Testament waren. Er nennt aber die Schriftgelehrten und Pharisäer nicht ungerecht; denn sonst hätte er nicht gesagt, sie besäßen Gerechtigkeit. Beachte aber, daß er hier das Alte Testament bekräftigt, indem er es mit dem neuen vergleicht; denn mehr oder weniger ist es von der gleichen Art. Die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer sind die Gesetze des Moses, die eigentliche Erfüllung dieser Gesetze aber sind die Gebote Christi. (Chrysostomus)

Oder anders: [Er will sagen:] Wenn euere Gerechtigkeit nicht mehr zu bieten hat als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, d. h. über denen steht, die nicht tun, was sie lehren; denn über sie wird anderswo gesagt: Die sagen es nur, tun es aber nicht; als ob er sagen wollte: Wenn euere Gerechtigkeit nicht so viel wert ist, daß ihr nicht selbst die Gebote brecht, sondern vielmehr tut, was ihr lehrt, dann werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. (Augustinus)

21 Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein.
22 Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du gottloser Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.

Fast alles, was der Herr anmahnte und vorschrieb, wo er hinzufügte: Ich aber sage euch, findet sich auch in den alttestamentlichen Schriften. Aber weil sie unter Mord nur das Töten des menschlichen Körpers verstanden, zeigte der Herr, daß jede ungerechte Absicht, seinem Bruder zu schaden, unter die Gattung Mord zu rechnen ist. (Augustinus)

Dennoch ist der Zorn, der begründet ist, kein Zorn, sondern Gericht. Denn unter Zorn versteht man eigentlich eine Erregung der Leidenschaft; wer aber begründet zürnt, dessen Zorn kommt nicht aus Leidenschaft; daher spricht man von "richten", nicht von "zürnen". (Chrysostomus)

Dem Bruder aber zu zürnen, damit er sich bessert, das tadelt niemand, der einen gesunden Menschenverstand besitzt; denn Regungen dieser Art, die aus der Liebe zum Guten und aus der heiligen Liebe kommen, darf man nicht Fehler nennen, da sie der rechten Vernunft folgen. (Augustinus)

Es ist aber nicht recht, jemanden einen Hohlkopf zu nennen, der in sich den [heiligen] Geist hat. (Chrysostomus)

Der größere Teil der Strafen und Sünden nehmen ihren Ausgang von Worten; denn schon geringfügige Worte haben oft zum Mord geführt und gesunde Staaten zugrunde gerichtet. Halte es also nicht für eine Kleinigkeit, deinen Bruder als Dummkopf zu bezeichnen. Damit sprichst du ihm Klugheit und Vernunft ab, wodurch wir doch eigentlich erst Menschen sind und uns von den vernunftlosen Wesen unterscheiden. (Chrysostomus)

23 Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat,
24 so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe.

Er sagte nicht: "Wenn du etwas gegen deinen Bruder hast", sondern "wenn dein Bruder etwas gegen dich hat", so daß es stärker deine Pflicht ist, den ersten Schritt zur Versöhnung zu tun. (Hieronymus)

Wenn er dich aber beleidigt hat und du ihn zuerst um Vergebung bittest, dann wirst du einen großen Lohn haben. (Hieronymus)

Siehe, er will von Streitenden kein Opfer annehmen. Daraus ermeßt also, was für ein großes Übel die Zwietracht ist. Wegen ihr wird sogar das verworfen, wodurch die Schuld erlassen wird. - Siehe aber auch auf die Barmherzigkeit Gottes, wie er auf den Nutzen der Menschen mehr schaut als auf seine eigene Ehre; denn er liebt die Eintracht der Gläubigen mehr als seine eigene Ehre; solange nämlich die gläubigen Menschen eine Meinungsverschiedenheit haben, nimmt er ihre Gaben nicht an und erhört ihr Beten nicht. (Chrysostomus)

Wenn aber der menschliche Frieden wiederhergestellt ist, befiehlt er uns, zum göttlichen zurückzukehren, indem wir von der Menschenliebe zur Gottesliebe übergehen. Und deshalb folgt: Dann komme und opfere deine Gabe! (Hilarius)

25 Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum Gericht bist. Sonst wird dich dein Gegner vor den Richter bringen, und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben, und du wirst ins Gefängnis geworfen.
26 Amen, das sage ich dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast.

Denn der Herr drängt darauf, daß wir schnell mit unseren Feinden Freundschaft schließen, solange wir noch in diesem Leben sind. Denn er weiß, wie gefährlich es ist, wenn einer von unseren Feinden gestorben ist, bevor Frieden geschlossen wurde. Denn wenn Streitende durch den Tod hindurch zum Richter kommen, wird er dich Christus übergeben und dich vor dessen Gericht als schuldig überführen. (Chrysostomus)

Wenn du in dieser Welt Frieden geschlossen hast, kannst du Vergebung auch für die schwersten Vergehen erlangen; wenn du aber einmal verdammt und in den Kerker geworfen bist, dann wirst du bestraft werden nicht nur für die schweren Sünden, sondern auch für ein gedankenlos dahingesagtes Wort, das mit dem Begriff "Heller"Lat.: quadrans ausgedrückt wird. (Chrysostomus)

27 Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen.
28 Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.

Jeder aber, der unvorsichtig das Äußere anschaut, findet oft Wohlgefallen an der Sünde und, in Verlockungen verstrickt, fängt er an zu wollen, was er nicht wollte. Denn schwer wiegt das, was das Fleisch nach unten zieht, und das Bild einer Schönheit, das einmal durch die Augen mit dem Herzen verbunden ist, wird kaum - selbst bei einer großen Anstrengung - ausgelöscht. Man muß also dafür sorgen, daß man das nicht anschaut, was man nicht begehren darf. (Gregor der Große)

29 Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder verlorengeht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.
30 Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder verlorengeht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle kommt.

Wie der ganze Mensch, wenn er sich zu Gott bekehrt hat, für die Sünde gestorben ist, so ist auch das Auge, wenn es aufgehört hat, in schlechter Absicht anzuschauen, ausgerissen aus der Sünde. (Chrysostomus)

Oder das rechte Auge ist das beschauliche Leben, das dann Ärger bereitet, wenn es uns zum Müßiggang oder zur Anmaßung verleitet oder wenn wir aus Schwachheit das Reine nicht erkennen können. Die rechte Hand aber ist das gute Handeln oder das aktive Leben, das uns ärgert, wenn wir wegen der häufigen Beschäftigung mit dieser Welt von Ekel erfüllt werden. (Glossa)

31 Ferner ist gesagt worden: Wer seine Frau aus der Ehe entläßt, muß ihr eine Scheidungsurkunde geben.
32 Ich aber sage euch: Wer seine Frau entläßt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.

Als nämlich Moses die Kinder Israels aus Ägypten heraus führte, waren sie zwar der Abstammung nach Israeliten, ihren Sitten nach aber Ägypter geworden. Wegen der Sitten der Heiden kam es aber vor, daß ein Mann seine Frau haßte, und weil es nicht gestattet war, sie zu entlassen, war er bereit, sie zu töten oder ständig zu schlagen. Deshalb ließ er ihr den Scheidungsbrief ausstellen, nicht weil dies gut war, sondern um ein schlimmeres Übel zu vermeiden. (Chrysostomus)

Um dies zu bekräftigen, daß die Frau nicht so einfach entlassen wird, nahm er nur den Fall des Ehebruchs aus. [...] Alle anderen Schwierigkeiten, die sonst vielleicht auftreten, sollen nach seinem Gebot in ehelicher Treue standhaft ertragen werden. (Augustinus)

33 Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast.
34 Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron,
35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel für seine Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs.
36 Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen.
37 Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

Denn niemand schwört häufig, ohne daß er nicht einmal auch einen Meineid schwört, so wie der, der die Gewohnheit hat, viel zu reden, manchmal auch Unpassendes sagt. (Chrysostomus)

Der Meineid ist eine schwere Sünde, und derjenige, der nicht zu schwören gewohnt ist, schwört nicht so leicht einen Meineid wie der, der eher geneigt ist, die Wahrheit zu beschwören. Deswegen wollte der Herr, daß wir ohne Schwur von der Wahrheit nicht abweichen, anstatt uns durch das Schwören der Gefahr eines Meineids auszusetzen. (Augustinus)

Der Apostel schwor in seinen Briefen und so zeigte er, wie das Wort zu verstehen ist, nämlich daß man nicht durch Schwören zur leichtfertigen Handhabung des Schwures kommt, daraus aber zu Gewohnheit des Schwörens und daraus wiederum in den Meineid gerät. (Augustinus)

Alle, die in der Einfalt des Glaubens leben, haben es nicht nötig zu schwören, da bei ihnen immer das, was ist, ist, was aber nicht ist, eben nicht, und dadurch besteht bei ihnen jedes Tun und jede Rede in einem einzigen Wort. (Hilarius)

 
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