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LESEJAHR A

Die Zeit im Jahreskreis

22. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 16,21-27
 
Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
 
In jenen Tagen
21 begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.

[Zuvor hatte Jesus ihnen verboten zu sagen, "daß er der Messias sei" (Mt 16,20).] Damit aber niemand glaubt, es sei nur unsere Auslegung, [daß er damals den Aposteln verboten habe zu predigen], darum gibt das Folgende den Grund für das Predigtverbot an, es heißt nämlich: "er begann seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen [...]". Das soll heißen: Erst wenn ich das alles erlitten habe, dann sollt ihr mich [als den Messias] verkündigen, denn es nutzt nichts, den Messias öffentlich zu proklamieren und seine Herrlickeit bei allem Volk zu verbreiten, wenn man ihn nur wenig später als Gegeißelten und Gekreuzigten sieht. (Hieronymus)

Was nämlich einmal Wurzel gefaßt hatte, aber später wieder herausgerissen wurde, das wird sich kaum bei vielen verbreiten, wenn es dann erneut eingepflanzt wird. Was jedoch einmal eingesetzt wurde und dann bestehen bleibt, dem kann man leicht zu weiterem Wachstum verhelfen. - Er spricht von diesen traurigen Dingen und wiederholt seine Worte sogar,Vgl. die zweite und dritte Leidensankündigung Mt 17,22f.; 20,17-19. um das Verständnis der Jüngern dafür zu wecken. (Chrysostomus)

Und beachte, daß er nicht sagt, "er begann zu sprechen oder zu lehren", sondern "er begann zu zeigen".Lat.: coepit ostendere Wie man von einem Gegenstand sagt, daß man ihn zeigt, so zeigt Jesus die Dinge auf, von denen er spricht. Und ich glaube, daß den Jüngern, denen er mit verständlichen Worten das Geheimnis seines Leidens und seiner Auferstehung erklärte, tatsächlich mehr gezeigt wurde als jenen, die mit eigenen Augen sahen, wieviel er litt.D.h. die Erklärung geschieht zwar nur mit Worten, aber indem sie das Geschehen deutet, wird den Jüngern dadurch tatsächlich mehr gezeigt, als jenen, die zwar Augenzeugen der Ereignisse sein mögen, sie aber nicht verstehen können.
Und es heißt: "er begann zu erklären", denn später, als das Verständnis der Jünger größer geworden war, zeigte er es ihnen in noch vollerem Maß, denn alles, was Jesus beginnt, das führt er auch zu Ende. [...] Doch bereits die Anfänge dessen, was Christus da mit seinen Worten aufzeigte, erschienen Petrus als des Sohnes des lebendigen Gottes unwürdig. Vergessend, daß der Sohn des lebendigen Gottes nichts Tadelnswertes tut, begann er ihm Vorwürfe zu machen. (Origenes)

22 Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!

Schon oft haben wir davon gesprochen, wie großer Eifer und wie große Liebe Petrus mit dem Herrn und Heiland verbanden. Nachdem er also sein Bekenntnis zu ihm abgelegt hatte (Mt 16,16) und er gehört hatte, welchen Lohn er von seinem Heiland dafür bekommen sollte, da wollte er seinem Bekenntnis treu bleiben,Wörtlich: non vult destrui confessionem suam - er wollte nicht, daß sein Bekenntnis zerstört wird. und weil er es für unmöglich hielt, daß der Sohn Gottes getötet wird, nahm er ihn tief bewegt an der Hand oder "nahm er ihn beiseite" - um den Meister nicht in Gegenwart der anderen Jünger zu tadeln - "und begann ihm Vorwürfe zu machen" - aus liebender Zuneigung - "und sagte: 'Das sei fern von dir, Herr!'" Oder, wie es im Griechischen besser heißt: "Sei gnädig mit dir, Herr, das soll nicht mit dir geschehen!", so als ob er Vergebung [für irgendeine Schuld] nötig hätte.Die direkte lateinische Übersetzung lautet: 'propitius esto tibi' - [Gott] sei dir gnädig, vergebe dir, darauf nimmt die Erklärung Bezug. Im Griechischen hat der Satz kein Verb, hier wird aber statt 'esto' 'sis' ergänzt, d.h. 'sei du dir gnädig'. Christus erkennt die Zuneigung des Petrus an, aber er macht ihm seine Unwissenheit zum Vorwurf, darum heißt es im folgenden: (Hieronymus)

23 Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

Der Herr erkannte nämlich die teuflischen Kunst, die dazu den Anstoß gegeben hatte, und darum sagt er zu Petrus "Zurück, stelle Du dich hinter mich!"Lat.: Vade retro post me, das heißt, er soll dem Beispiel seines Leidens folgen. Und zu dem gewandt, der Petrus diese Worte eingegeben hatte, fügt er hinzu: "Satan, du bist mir ein Ärgernis!" Es paßt nämlich nicht zusammen, daß Petrus mit "Satan" angeredet wird und ihm der Vorwurf gemacht wird, ein Ärgernis zu sein, nachdem er zuvor vor allen anderen seliggepriesen worden war und ihm so große Macht zugestanden worden war. (Hilarius)

Mir jedoch erscheint der Irrtum des Apostels aus seiner kindlichen Zuneigung zu kommen und keineswegs ein Impuls des Teufels zu sein. Der kluge Leser aber soll an dieser Stelle erkennen, daß dem Petrus die Seligkeit und die Machtposition erst für die Zukunft und nicht sofort verheißen worden sind,Vgl. Mt 16,17-19 denn wenn der Herr ihm sie gleich gegeben hätte, dann wäre kein Platz für diese schlechten Worte gewesen. (Hieronymus)

Doch was Wunder, daß das dem Petrus passiert, denn er hatte doch darüber keine Offenbarung empfangen. Damit man nämlich lernt, daß er auch das, was er über Christus bekannt hatte, nicht aus sich selbst heraus gesprochen hatte, darum sieht man ihn [hier] beunruhigt über die Dinge, die ihm nicht offenbart wurden: weil er nämlich menschlich und irdisch dachte, als er das Schicksal Christi betrachtete, darum schien es ihm eine Schande und unwürdig, daß er leiden sollte. Und deswegen fügte der Herr auch hinzu: "du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen." (Chrysostomus)

Damit will er sagen: es ist mein Wille und der Wille meines Vaters, daß ich für das Heil der Menschen sterbe, du aber denkst nur an deinen Willen und willst nicht, daß das Weizenkorn in die Erde fällt und reiche Frucht bringt. Weil Du aber das aussprichst, was meinem Willen zuwider ist, darum mußt du "Feind" geheißen werden. "Satan" bedeutet nämlich "Feind" oder "Gegner". Es ist aber nicht so, wie die meisten denken, daß Petrus und der Satan mit ein und demselben Satz verurteilt wurden. Dem Petrus wurde nämlich gesagt, "Geh und stell dich hinter mich, Satan", das heißt, "Folge mir, denn du stellst dich meinen Willen entgegen." Jener aber hörte: "Weiche Satan!" und er sagt ihm nicht "hinter mich", das soll heißen: "Geh in das ewige Feuer." (Hieronymus)

Er sagte also dem Petrus "Geh hinter mich", da er gewissermaßen aus Unwissenheit aufgehört hatte, Christus nachzufolgen. "Satan" sagt er zu ihm, weil er gewissermaßen aus Unwissenheit etwas sagte, was dem Willen Gottes widersprach. Doch selig ist, wem sich Christus zuwendet, auch dann, wenn Christus sich ihm zuwendet, um ihn zu tadeln. [...] (Origenes, In Matth.)

24 Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

[...] Der Herr war mit dem Tadel [für Petrus] allein noch nicht zufrieden, er wollte noch deutlicher zeigen, wie unpassend die Worte des Petrus waren und was die Frucht seines Leidens ist. Darum ergänzt er: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!" Damit will er sagen: Du sagst mir: "Gott sei dir gnädig ..." Ich aber sage dir: Es schadet dir nicht nur, wenn du mich vom Leiden abhalten willst, sondern auch du selbst kannst nicht gerettet werden, wenn du nicht leidest und stirbst und für immer auf das [irdische] Leben verzichtest. Doch beachte, daß er diese Worte nicht als Zwang formuliert. Er sagt nämlich nicht: "Wenn ihr nicht wollt, dann müßt ihr das erleiden", sondern: "Wenn einer will ..." Indem er so sprach, wirkte er anziehend [auf seine Zuhörer], wer nämlich dem Zuhörer die Freiheit läßt, der wirkt eher anziehend, wer dagegen Gewalt anwendet, der wirkt oftmals abstoßend. Diesen Grundsatz gab er aber nicht nur seinen Jüngern mit auf den Weg, sondern er sprach allgemein und für die ganze Welt: "Wenn einer will ...", d.h. eine Frau, ein Mann, ein König, ein Freier, ein Sklave ... Drei Dinge aber führte er an: sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen und ihm nachfolgen. (Chrysostomus)

Denn wenn einer nicht sich selbst loslassen kann,Lat.: nisi quis a semetipso deficiat dann kann er nicht zu dem kommen, der über ihm ist. Doch wohin außerhalb unser selbst können wir gehen, wenn wir aus uns herausgehen? Und wer ist es denn, der geht, wenn einer sich selbst verläßt? Nun: der durch die Sünde gefallene Mensch ist etwas anderes als der, der er von Natur aus geschaffen war. Dann also verlassen und verleugnen wir uns selbst, wenn wir das meiden, was der alte Mensch war, und nach dem streben, wozu wir als neue Menschen berufen sind. (Gregor der Große, Hom. in Ev.)

Sich selbst verleugnet auch jeder, der sich zum Besseren wendet; er beginnt zu sein, was er nicht war, und er hört auf zu sein, was er war. (Gregor der Große, Hom. in Ez.)

Wenn sich nun einer scheinbar von der Sünde fernhält, doch an das Kreuz Christi nicht glaubt, dann kann man nicht sagen, daß er "mit Christus gekreuzigt ist" (Gal 5,19), darum wird angefügt: "der nehme sein Kreuz auf sich". (Origenes)

Oder auch: Derjenige verleugnet einen anderen Menschen (sei es ein Bruder, sei es ein Knecht oder irgendwer sonst), der ihm nicht beisteht, ihm nicht hilft, wenn er sieht, wie er geschlagen wird oder irgendein anderes Leid trägt. Und so will Jesus, daß wir unserem Leib nicht nachgeben und ihn nicht schonen, selbst wenn sie ihn geißeln oder ihm sonst etwas antun. Und [paradoxerweise] bedeutet das gerade, ihn zu schonen: so wie Väter ihre Kinder dann am meisten schonen, wenn sie sie dem Lehrer übergeben und ihm sagen, daß er sie nicht schonen soll. Und damit du nicht glaubst, man solle sich nur so weit verleugnen, daß man ein [böses] Wort oder eine Beleidigung erträgt, darum gibt er den Grad an bis zu dem man sich verleugnen soll, nämlich bis zum Tod, ja sogar bis zum schändlichsten Tod, dem am Kreuz. Das bedeutet es, wenn er sagt: "der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (Chrysostomus, In Matth.)

Ja, man muß dem Herrn folgen, indem man das Kreuz seines Leidens auf sich nimmt; und wenn man schon nicht sein Schicksal teilt, so soll man wenigstens dieselbe Absicht wie er haben. (Hilarius, In Matth.)

Auf zwei Weisen nimmt man das Kreuz auf sich: entweder, indem man durch Enthaltsamkeit die leiblichen Begierden abtötet, oder indem man durch Mitleid mit dem Nächsten seine bösen Gedanken niederhält.Der Gegensatz corpus - animus, auf den der Text abhebt, wird hier mit 'leibliche Begierden' bzw. 'böse Gedanken' wiedergegeben. Weil aber mit jeder Tugend ein gewisses Laster verbunden ist, muß man sagen, daß manchmal ein nichtiges Sich-Rühmen seinen Schatten auf die leibliche Enthaltsamkeit wirft, so etwa wenn man sich wegen seiner offen gezeigten körperlichen Schwäche oder seiner Blässe im Gesicht loben läßt. Das Mitleid dagegen wird meistens heimlich durch eine falsches Mitgefühl überdeckt, die einen dazu bringen kann, daß man den Fehlern des anderen nachgibt;Wörtlich: 'die das Mitleiden manchmal dahin bringt, daß es den Fehlern des anderen willfährig ist'. Diese Haltung, die den Fehler des anderen nicht mehr als Fehler benennt, sondern ihn gutredet und dazu verführt, in denselben Fehler zu verfallen, nennt Gregor 'falsa pietas' (wörtlich: ein falsches Pflichtbewußtsein), weil sie sich dem anderen mehr verpflichtet weiß als der Wahrheit. um das alles auszuschließen fügt er hinzu: "und folge mir." (Gregor der Große, In Evang.)

25 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Das kann auf zwei verschiedene Weisen verstanden werden. Einmal so: Wenn einer das gegenwärtige Leben liebt, dann möchte er seine Seele (sein Leben)Im Deutschen läßt sich die Doppeldeutigkeit von animus (Seele, Leben) kaum wiedergeben. erhalten und fürchtet sich zu sterben, weil er glaubt, daß durch den Tod seine Seele mit zugrunde geht. Er will seine Seele retten und verliert sie doch, weil er ihr das ewige Leben vorenthält. Wenn einer dagegen das gegenwärtige Leben gering achtet und im Streit für die Wahrheit sogar den Tod in Kauf nimmt, dann verliert er zwar seine Seele im Hinblick auf das gegenwärtige Leben, weil er sie aber für Christus verliert, bewahrt er sie umso mehr für das ewige Leben.
Anders kann man es so verstehen: Wenn einer zu der Einsicht kommt, worin das wahre Heil besteht und es zur Rettung seiner Seele erlangen möchte, indem er sich selbst verleugnet, so verliert er seine Seele um Christi willen im Hinblick auf leibliche Genüsse. Indem er aber auf diese Weise seine Seele verliert, rettet er sie durch seinen Gehorsam.Lat.: opus pietatis [...] (Origenes)

26 Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?

Er sagt gewissermaßen: Wenn einer eine wertvolle Sache verliert, dann kann er sie mit etwas anderem Wertvollem zurückkaufen; wenn du aber deine Seele verlierst dann kannst du keine Seele (und auch nichts anderes) dafür geben. Und was wundert es dich, daß so etwas mit der Seele geschehen kann? Schon beim Leib sieht man etwas Vergleichbares, denn ein todkranker Körper wird nicht heil, mit wieviel tausend Diademen du ihn auch schmücken magst. (Chrysostomus, In Matth.)

Auf den ersten Blick scheint ja das Vermögen der Lösepreis für die Seele zu sein, daß nämlich jemand sein Vermögen den Armen gibt und dadurch seine Seele rettet. Ich bin aber überzeugt, daß der Mensch nichts besitzt, was er als Lösepreis für seine Seele geben könnte und das ihn vom Tode befreite. Doch Gott hat für die Seelen der Menschen das wertvolle Blut seines Sohnes als Lösepreis gegeben. (Origenes)

Man könnte auch noch anders einen Zusammenhang herstellen: Weil die heilige Kirche manchmal eine Zeit der Verfolgung erlebt und manchmal eine Zeit des Friedens, darum unterscheidet der Herr auch in seinen Weisungen diese verschiedenen Zeiten: in Zeiten der Verfolgung muß man sein Leben verlieren [um es zu gewinnen], in der Zeit des Friedens aber muß man die irdischen Begierden, die eine allzu große Macht über uns gewinnen können, bändigen, und deswegen fügt er [den zweiten Vers] hinzu: "Was nützt es dem Menschen ..." (Gregor der Große, In Evang.)

27 Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen

Er will sagen: Der Menschensohn ist jetzt schon gekommen, aber nicht in Herrlichkeit, denn es schickte sich für ihn nicht, die Sünden der Menschen zu tragen, solange er in der Herrlichkeit [des Vaters] ist. Wenn er aber seine Jünger darauf vorbereitet hat, indem er wie sie geworden ist, damit sie dadurch so werden wie er, wenn sie seiner Herrlichkeit gleich geworden sind, dann wird er in Herrlichkeit kommen. (Origenes)

und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen.

Da wo nicht die Person, sondern ihre Werke zählen, da gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Heiden, zwischen Mann und Frau, zwischen Armen und Reichen. (Hieronymus)

Das sagt er nicht nur um an die Strafe für die Sünder zu erinnern, sondern auch um auf den Lohn und den Siegeskranz für die Gerechten hinzuweisen. (Chrysostomus, In Matth.)

 
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