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LESEJAHR A

Die Zeit im Jahreskreis

20. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 15,21-28
 
Frau, dein Glaube ist groß
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
 
In jener Zeit
21 zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück.

Tyrus und Sidon waren heidnische Städte, denn Tyrus war die Hauptstadt der Kanaanäer, Sidon war die nördliche Grenze des kanaanäischen Gebietes. (Remigius)

22 Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält.

Der Evangelist sagt, daß es sich um eine kananäische Frau handelte, um die Macht der Gegenwart Christi zu zeigen, denn die Kananäer, die einst aus ihrem Land vertrieben wurden, um die Juden nicht vom Glauben abzubringen, die erscheinen nun klüger als die Juden, indem sie aus ihrem Gebiet kommen, um zu Christus zu gehen. Diese Frau aber, die vor Christus hintrat, forderte nichts anderes als Erbarmen. (Chrysostomus)

Man bemerkt hier den großen Glauben der Kananäerin: sie glaubt, daß er Gott ist, denn sie nennt ihn Herr, und sie glaubt, daß er Mensch ist, denn sie sagt zu ihm "Sohn Davids". Sie fordert nichts aufgrund irgendeines Verdienstes, sondern erfleht nur Barmherzigkeit von Gott, wenn sie sagt: "Erbarme dich!" Und sie sagt auch nicht "Erbarme dich meiner Tochter", sondern "Erbarme dich meiner", denn der Schmerz der Tochter ist der Schmerz der Mutter. Damit sie ihn aber eher dazu bewegt, Mitleid zu haben, klagt sie ihm ihr ganzes Leid. Darum heißt es: Meine Tochter wird von einem Dämon aufs Übelste gequält. Hiermit deckt sie dem Arzt die Wunde auf und zeigt ihm die Schwere und die Art der Krankheit: die Schwere durch das Wort "aufs Übelste gequält", die Art, wenn sie sagt "von einem Dämon". (Glossa)

Seht das kluge Verhalten der Frau: Sie ging nicht zu den verführerischen Menschen [ihres eigenen Volkes], sie suchte nicht nach einem nutzlosen Heilmittel,Wörtlich: Verband sondern sie läßt den ganzen Teufelskult zurück und kommt zum Herrn. Auch bat sie nicht Jakobus, fragte Johannes um Rat oder wurde bei Petrus vorstellig, sondern von ihrer Reue geleitetLat.: suscepit in se poenitentiae patrocinium ging sie ganz allein zum Herrn. - Aber seht, ihr Unternehmen scheint keinen Erfolg zu haben: Sie bittet, sie klagt und schließlich schreit sie, doch Gott, obwohl er die Menschen liebt, "gibt ihr keine Antwort". (Origenes)

23 Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie (von ihrer Sorge), denn sie schreit hinter uns her.

Weil er zögert und keine Antwort gibt, wird die Geduld und die Beharrlichkeit der Frau sichtbar. Er antwortet auch darum nicht, weil die Jünger für sie bitten sollen. Dadurch zeigt er, daß die Fürbitte der Heiligen notwendig ist, um [von Gott] etwas zu erhalten. [...] (Glossa)

Ich glaube aber, daß die Jünger sehr wohl über das Unglück der Frau betrübt waren, es aber doch nicht wagten zu sagen: "Gewähre ihr diese Gnade", und deshalb sagten sie "Schick sie weg".Der griechische Text und die lateinische Übersetzung des Evangeliums bieten beide Verständnismöglichkeiten: 'Schick sie weg!' oder 'Befreie sie!' Wenn wir jemanden überreden wollen, dann sagen wir ja auch oft das Gegenteil [von dem was wir eigentlich im Sinn haben]. (Chrysostomus)

24 Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.

Er sagt nicht, daß er nicht zu den Heiden geschickt ist, sondern daß er zuerst zu Israel gesandt ist,Vgl. die Formulierung von Mk 7,27. damit es - nachdem diese das Evangelium nicht annahmen - dann zu Recht zu den Heiden kommt. (Hieronymus)

Seine Sendung zum Heil der Juden geschah auf besondere Weise, denn diese sollte er durch seine leibliche Gegenwart belehren. (Remigius)

Bezeichnenderweise spricht er hier von den verlorenen Schafen des Hauses Israel, denn durch diese Redeweise soll man sich an das verirrte Schaf aus der anderen Parabel (Mt 18,12-14) erinnern. (Hieronymus)

25 Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!

Weil die Frau sah, daß die Apostel [mit ihrer Bitte] nichts ausrichteten, wandelte sich ihre Unverschämtheit zum Guten, denn zuvor hatte sie es nicht gewagt, ihm vor die Augen zu treten (es hieß ja: "sie schreit hinter uns her"), als es aber für sie so aussah, als ob sie weggescheucht werden sollte, da kommt sie näher hinzu. (Chrysostomus)

26 Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.

[...] Je flehentlicher die Frau bat, umso mehr widersprach er ihr: die Juden nennt er nicht mehr Schafe, sondern Kinder, ihresgleichen aber nennt er Hunde. (Chrysostomus)

Die Heiden heißen Hunde wegen ihrer Götzenverehrung [...]. (Hrabanus)

27 Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.

Sieh das Verhalten der Frau, wie sie weder wagt zu widersprechen, noch enttäuscht ist über das Lob, das anderen gezollt wird, noch sich gekränkt fühlt, daß sie beleidigt wurde. [...] Er hatte sie einen Hund genannt, und sie setzt hinzu, was ein Hund tut, so als wollte sie sagen: Und wenn ich ein Hund bin, so gehöre ich doch zu dir.Wörtlich: Bin ich [dir] doch nicht fremd. Du nennst mich einen Hund, also füttere mich, so wie du deinen Hund fütterst; ich kann den Tisch meines Herrn nicht verlassen. (Chrysostomus)

28 Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.

Aus diesem Grund hatte Christus [so lange] gezögert, er wußte nämlich im Voraus, daß sie das sagen würde, und wollte nicht, daß eine so große Tugend dieser Frau verborgen bliebe. Darum heißt es: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Er will sagen: Dein Glaube vermag noch größeres zu hören als dieses, doch bis dahin soll es so geschehen, wie du es willst. Und sieh auch, daß die Frau nicht wenig zur Heilung ihrer Tochter beigetragen hat, denn darum sagt Christus ja nicht: "Deine Tochter soll geheilt sein", sondern "Dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen.". Außerdem erkennt man daran auch, daß ihre Worte aufrichtig waren und nicht schmeichlerisch, sondern von ihrem tiefen Glauben geprägt. Die Worte Christi aber gleichen jener Stimme, die sprach: "Ein Gewölbe entstehe ..." und es geschah so.Gen 1,6f.; im Lateinischen heißt es beide Male 'fiat': 'Es soll geschehen, was du willst' und 'Ein Gewölbe entstehe' Und darum heißt es: "Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt." Und beachte auch, wie die Frau selbst erreicht, was die Apostel für sie nicht erreichten. So viel vermag inständiges Gebet! Auch ist es [dem Herrn] lieber, wenn wir für unsere Vergehen selber einstehen, als daß andere Fürbitte für uns einlegen. (Chrysostomus)

Durch diese Erzählung wird uns beispielhaft gezeigt, daß die Kinder getauft und im Glauben unterrichtet werden sollen. Die Frau sagt nämlich nicht: "Rette meine Tochter!" oder "Hilf ihr!", sondern "Erbarme dich meiner!" und "Hilf mir!" Von daher kommt nämlich die Gewohnheit der Kirche, daß die Gläubigen für ihre unmündigen Kinder [bei der Taufe] den Glauben an Gott bekennen, da diese selbst noch nicht von hinreichendem Alter und Vernunftgebrauch sind, daß sie für sich selber den Glauben an Gott bekennen können. Und so wie die Tochter jener Frau durch deren Glauben geheilt wurde, so werden durch den Glauben der erwachsenen KatholikenWörtlich: der katholischen Männer den Kindern ihre Sünden nachgelassen. (Remigius)

Den Diener des Hauptmannes (Mt 8,5-13) und die Tochter der kanaanäischen Frau heilt er, ohne daß er zu ihnen ins Haus kommt. Das bezeichnet die Heiden, zu denen er nicht [selbst] kam, sondern die durch sein Wort zum Heil kommen sollten. [...] (Augustinus, De quaest. Evang.)

 
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