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LESEJAHR A

Die Zeit im Jahreskreis

15. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 13,1-23
 
Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
 
1 An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees.

Nicht nur die Worte und Taten des Herrn, sondern auch die Orte, wohin er ging und wo er Wunder tat und predigte, sind erfüllt von geheimnisvoller Bedeutung. Nachdem er im Haus gepredigt hatte, wo man ihm - welch ungeheure Lästerung! - unterstellt hatte, er sei von einem Dämon besessen, ging er hinaus ans Meer. Er wollte damit zeigen, daß er wegen ihres Unglaubens Juda sich selber überlassen und sich der Rettung der Heiden zuwenden werde. Die Herzen der Heiden, die so lange hochmütig und ungläubig waren, vergleicht man ja nicht zu Unrecht mit den schwellenden Wasserwogen des Meeres, und wer wüßte nicht, daß Juda aufgrund seines Glaubens das Haus des Herrn genannt wird? (Remigius)

Man soll auch daran denken, daß das Volk das Haus Jesu nicht betreten konnte, noch dort weilen konnte, wo die Apostel die Geheimnisse gesagt ekamen; darum verläßt der Herr, der Erbarmer, sein Haus und setzt sich am Meer dieser Welt nieder, auf daß sich bei ihm viele Scharen von Menschen versammeln und an der Küste hören sollten, was sie im Haus nicht zu hören verdienten. (Hieronymus)

2 Da versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot und setzte sich; die Leute aber standen am Ufer.
3 Und er sprach lange zu ihnen in Form von Gleichnissen. Er sagte: Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen.

Der Sohn Gottes wird als Sämann bezeichnet, der das Wort des Vaters im Volk aussät. (Hieronymus)

Woher kam er, wenn er doch überall gegenwärtig ist, und wie ist sein Ausgehen zu verstehen? Nicht räumlich kam er uns näher, sondern durch die Inkarnation, als er im Fleisch erschien. Denn wir konnten nicht zu ihm eingehen, weil unsere Sünden das verhinderten; so ging er selbst heraus zu uns. Wenn du nun hörst: "Es ging der Sämann aus, um zu säen", dann denke nicht, da werde zweimal das gleiche gesagt. Oftmals nämlich geht der Sämann hinaus, und zwar zu unterschiedlichem Tun: um die Erde zu harken, Unkraut abzuschneiden, Dornen auszureißen, oder eine andere Sorgfalt angedeihen zu lassen. Hier aber geht er aus, um zu säen. Und was geschieht mit dem Samen? Drei Teile verderben, einer bleibt heil, und die drei Teile verderben nicht auf gleiche Weise. Darum heißt es: (Chrysostomus)

4 Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg, und die Vögel kamen und fraßen sie.
5 Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war;
6 als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte.
7 Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat.
8 Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach.

Aber was hat das für einen Sinn, in die Dornen zu säen, oder auf Felsboden, oder auf den Weg? Freilich, wenn man diese Worte vom materiellen Samen und Boden versteht, dann hat das keinen Sinn; denn es steht nicht in der Macht des felsigen Bodens, gutes Erdreich zu werden, noch ist es ins Belieben der Dornen gestellt, keine Dornen zu sein. Wenn man es aber auf die Seele und die Lehre bezieht, dann ist das ein Wort des Lobes würdig: in diesem Bereich nämlich kann Felsboden fettes Erdreich werden, es ist möglich, daß der Weg nicht mehr getreten wird und daß Dornen zerstört werden. Daß allzuviel Samen verdirbt, daran ist nicht derjenige schuld, der sät, sondern der Boden, der aufnehmen soll, das heißt: die Seele. Der sät, achtet nicht darauf, ob einer arm oder reich, gebildet oder einfältig ist. [...] Durch dieses Gleichnis lehrt er seine Jünger, nicht träge zu werden, auch wenn unter den Hörern mehrere sein sollten, die dem Verderben zugingen; denn auch der Herr selbst, der alles vorher weiß, hört nicht auf, zu säen. (Chrysostomus)

9 Wer Ohren hat, der höre!
10 Da kamen die Jünger zu ihm und sagten: Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen?
11 Er antwortete: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen; ihnen aber ist es nicht gegeben.

Euch, sagt er, die ihr mir anhangt und an mich glaubt. "Geheimnis des Himmelreiches" nennt er die Botschaft des Evangeliums. "Jenen aber", die draußen sind und nicht an ihn glauben wollen, das heißt, den Schriftgelehrten und Pharisäern und allen, die im Unglauben verharren, "ist es nicht gegeben". Wir wollen also reinen Herzens mit den Jüngern zum Herrn hintreten, auf daß er uns die Lehre des Evangeliums auslege. (Remigius)

Er sagt dies nicht, als handle es sich um eine unausweichliche, schicksalhafte Notwendigkeit; sondern er will zeigen, daß diejenigen, denen es nicht gegeben ist, für sich selbst die Quelle allen Übels sind; und er will auch zeigen, daß es ein Geschenk Gottes und eine himmlische Gnade ist, Gottes Geheimnisse zu erkennen. Dadurch wird aber nicht der freie Wille aufgehoben. Das ergibt sich klar aus den folgenden Worten. Weder sollen die einen verzweifeln, noch die anderen faul werden, wenn sie hören, ihnen sei es gegeben; und so zeigt er, daß auch wir selbst die Ursache für diese Dinge sind:

12 Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluß haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.

Damit will er gleichsam sagen: Wenn einer Sehnsucht hat und Eifer, dann wird ihm alles gegeben, was von Gott kommt; wenn aber jemand überhaupt keinen Eifer noch Verlangen hat und nicht tut, was in seinen Kräften steht, dann werden ihm die Gaben Gottes nicht zuteil, und es wird ihm auch noch genommen, was er hat - nicht, weil Gott es ihm nähme, sondern weil er sich selbst dessen unwürdig macht. So verhalten ja auch wir uns: Wenn wir bemerken, daß jemand nur gelangweilt zuhört, und wir ihn nicht dazu überzeugen können, auf unsere Mahnung zu achten, dann schweigen wir; denn wenn wir noch weiter insistieren sollten, dann wird ihn der Überdruß befallen. Auf einen eifrigen Hörer aber wirken wir anziehend und können ihm vieles mitteilen. Und sehr gut sagt der Evangelist: "Was er zu haben scheint", denn ein solcher hat nicht wirklich, was er hat. (Chrysostomus)

Wer eifrig zu lesen sich bemüht, dem wird auch die Fähigkeit des Verstehens geschenkt werden [...] Oder: Wer die Tugend der Liebe hat, dem werden auch die anderen Tugenden geschenkt. Wer sie aber nicht hat, der verliert auch die anderen; denn ohne die Liebe ist alles nichts. (Remigius)

13 Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, weil sie hören und doch nicht hören und nichts verstehen.

Wenn das eine Blindheit von Natur gewesen wäre, dann hätte er ihnen die Augen öffnen sollen; weil es aber eine frei gewollte Blindheit war, darum sagte nicht einfach: Sie sehen nicht, sondern: "sehend sehen sie nicht". Sie sahen nämlich, wie die Dämonen ausfuhren, und sagten doch: "Mit Beelzebul treibt er die Dämonen aus" (Mt 12,24). Sie hörten, wie er alle zu Gott hinziehen wollte, und sagten doch: "Dieser Mensch ist nicht von Gott" (Joh 9,16). Weil sie also das Gegenteil von dem verkündeten, was sie sahen und hörten, wird das Sehen und Hören ihnen genommen; denn es nützte nichts zu ihrem Heil, sondern würde ihnen zum Gericht. Darum sprach Jesus nicht von Anfang an in Gleichnissen, sondern zuerst mit großer Deutlichkeit. Dann aber sprach er in Gleichnissen, weil das Gehörte und Gesehene verdrehten. (Chrysostomus)

14 An ihnen erfüllt sich die Weissagung Jesajas: Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen; sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen.
15 Denn das Herz dieses Volkes ist hart geworden, und mit ihren Ohren hören sie nur schwer, und ihre Augen halten sie geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Ohren nicht hören, damit sie mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile.

Damit zeigt er, daß sie geheilt werden könnten, wenn sie sich bekehrten. So wie wenn jemand sagte: "Wenn ich nur gebeten worden wäre, ich wäre bereit gewesen zu geben", damit zeigt, wie Versöhnung möglich ist, so auch hier: Mit den Worten: "Damit sie sich nicht bekehren und ich sie heilen könnte", zeigt er, daß Bekehrung möglich ist, und daß diejenigen, die Buße tun, gerettet werden. (Chrysostomus)

Oder eine andere Interpretation: Sie haben ihre Augen geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen. sie selbst sind die Ursache, daß Gott ihnen die Augen verschließt. Ein anderer Evangelist sagt nämlich: "Er hat ihre Augen geblendet" (Joh 12,40). Aber geschieht das, damit sie niemals sehen, oder damit auf diese Weise wenigstens gewissermaßen sehen, ihre Blindheit verabscheuen und sich bedauern, und auf diese Weise demütig und reuevoll kommen, um ihre Sünden zu bekennen und Gott innig zu suchen? Man versteht hier, daß sie es aufgrund ihrer Sünden verdient haben, nicht mehr zu verstehen; und doch geschieht ihnen gerade das aus Barmherzigkeit, damit sie ihre Sünden erkennen, sich bekehren und Barmherzigkeit erlangen. [...] (Augustinus)

16 Ihr aber seid selig, denn eure Augen sehen und eure Ohren hören.
17 Amen, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben sich danach gesehnt zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.

Wie also die Augen derer, die sehen, aber nicht glauben wollen, bejammernswert sind, so sind "eure Augen selig". (Glossa)

Es scheint mir, jene Augen sind selig, die die Geheimnisse Christi erkennen können, und jene Ohren selig, von denen Jesaja sagt: "Der Herr hat mir das Ohr geöffnet" (Jes 50,5). (Hieronymus)

Der Geist ist nämlich ein Auge, denn er richtet sich kraft seiner Natur darauf, zu erkennen; er ist auch Ohr, weil er durch die Belehrung eines anderen etwas lernt. (Glossa)

Es haben aber doch Micha und Jesaja die Herrlichkeit des Herrn gesehen; darum heißen sie auch "Seher". (Hrabanus)

Aber der Herr hat auch nicht gesagt: Die Propheten und Gerechten, sondern: "viele Propheten". Da kann es doch gut sein, daß die einen sahen, andere aber nicht. Doch könnte hier die Interpretation gefährlich werden, denn es könnte so aussehen, daß wir die Verdienste der Heiligen unterscheiden wollten, was ihren Glauben an Christus betrifft. [...] (Hieronymus)

Der Herr bezeichnet seine Gegenwart als das, was die Apostel sahen und hörten, seine Wunder, seine Stimme, seine Botschaft. Darin gibt er ihnen den Vorrang nicht bloß vor den Schlechten, sondern auch vor den Guten. Er nennt die Apostel seliger als die Gerechten des Alten Bundes. [...] Jene dachten im Glauben darüber nach, diese aber im Schauen, viel handgreiflicher. Da siehst du, wie der Alte Bund mit dem Neuen verknüpft ist: Nicht eines anderen, gegensätzlichen Gottes Diener waren die Propheten, sondern Menschen, die nach Christus verlangten. (Chrysostomus)

18 Hört also, was das Gleichnis vom Sämann bedeutet.
19 Immer wenn ein Mensch das Wort vom Reich hört und es nicht versteht, kommt der Böse und nimmt alles weg, was diesem Menschen ins Herz gesät wurde; hier ist der Samen auf den Weg gefallen.

Mit diesen Worten erklärt der Herr, was unter dem Samen zu verstehen ist: das Wort vom Reich, also die Lehre des Evangeliums. Es gibt Menschen, die das Wort Gottes ohne jede innere Bereitschaft, ohne dankbare Liebe aufnehmen. Was in ihr Herz gesät wird, wird von den Dämonen sogleich weggenommen, wie von einem ausgetretenen Weg. (Remigius)

20 Auf felsigen Boden ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort hört und sofort freudig aufnimmt,

Der Same, das Wort Gottes, das in ein hartes, ungezähmtes Herz fällt, kann wegen der Härte keine Frucht bringen, und weil wenig Sehnsucht nach dem Himmel da ist. (Remigius)

Es ist ein Unterschied zwischen einem, der durch vielerlei Verfolgung und Pein veranlaßt Christus verleugnet, und einem, der sofort Ärgernis nimmt und zu Fall kommt. Von letzterem ist hier die Rede. (Hieronymus)

21 aber keine Wurzeln hat, sondern unbeständig ist; sobald er um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt wird, kommt er zu Fall.
22 In die Dornen ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort zwar hört, aber dann ersticken es die Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum, und es bringt keine Frucht.

Ganz zu Recht heißt es: "in die Dornen", denn solche Gedanken stechen und verletzen den menschlichen Geist, sie würgen ihn, und lassen ihn nicht die geistliche Frucht der Tugenden tragen. (Hrabanus)

23 Auf guten Boden ist der Samen bei dem gesät, der das Wort hört und es auch versteht; er bringt dann Frucht, hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach.

Der gute Boden ist das gläubige Gewissen der Erwählten, die heiligen Seelen, die das Wort Gottes mit Freude und Verlangen und mit herzlicher Zuneigung aufnehmen, es in Glück und Ungemach kraftvoll bewahren und es Frucht bringen lassen. (Remigius)

Zuerst müssen wir hören, dann verstehen, dann die Frucht des Verstandenen bringen. (Hieronymus)

Dreißigfache Frucht bringt das Wort Gottes, wenn es gute Gedanken, sechzigfache, wenn es gute Rede hervorbringt, hundertfache, wenn es zur Frucht des guten Werkes führt. (Remigius)

Oder eine andere Deutung: Hundertfältige Frucht bringen die Martyrer, weil ihr Leben geheiligt ist, oder weil sie den Tod verachten. Sechzigfach ist die Frucht der Jungfräulichen, denn sie haben den inneren Frieden, da sie nicht gegen die Gewohnheit des Fleisches zu kämpfen haben [...]. Dreißigfach ist die Frucht der Verheirateten [...] Oder anders: Man hat zu kämpfen mit der Neigung zu den zeitlichen Gütern, auf daß die Vernunft den Sieg davonträgt; oder man kämpft, daß diese Neigung so gezähmt und zurückgedrängt ist, daß sie leicht in Schranken gehalten werden kann, selbst wenn sie sich erheben sollte; oder sie ist bereits so ausgelöscht, daß sie sich nicht mehr regt. Daher kommt es, daß die einen den Tod um der Wahrheit willen tapfer verachten, andere gleichmütig, wieder andere in der Freiheit des Geistes. (Augustinus)

 
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